Wo stellt man Ladestationen auf?

Ford entwickelt Algorithmus

von Moritz Hell

Für viele Menschen und Unternehmen besteht bei der Umstellung auf ein batterieelektrisches Fahrzeug die Sorge, dass Ladestationen oftmals genau dann nicht verfügbar sind, wenn sie gebraucht werden. Ford hat nun ein Konzept entwickelt, das solche Sorgen zerstreuen könnte: Ein intelligenter Algorithmus identifiziert die günstigsten Standorte für neue Schnellladestationen. Datenwissenschaftler des Unternehmens haben hierfür Fahrdaten, die auf einer Gesamtstrecke von mehr als einer Million Kilometer gewonnen wurden, in ihre Berechnungen einfließen lassen. Berücksichtigt wurden insbesondere Orte, an denen Fahrzeuge abgestellt und geparkt wurden. Der Algorithmus orientiert sich am tatsächlichen Einsatz von Fahrzeugen und soll Fahrern von Elektrofahrzeugen dabei helfen, das Aufladen in den Alltag zu integrieren.

Nach eingehender Analyse im Großraum London kam das Team zu der Schlussfolgerung, dass es möglich wäre, den Zugang zum mobilen Laden schon durch den Einsatz einer relativ kleinen Anzahl von strategisch sinnvoll positionierten Schnellladestationen deutlich zu verbessern.

„Unsere Fähigkeit, die riesigen Mengen an gewonnenen Fahrdaten zu analysieren, kann entscheidend dazu beitragen, die Städte der Zukunft zu entwickeln“, sagte John Scott, Projektleiter, City Data Solutions, Ford Smart Mobility. „Ford hat es sich zur Aufgabe gemacht, intelligente Fahrzeuge für eine intelligente Welt zu liefern – einschließlich Elektrofahrzeugen für sauberere und ruhigere Städte. Zudem wollen wir unsere Daten für eine möglichst effiziente Investition in die notwendige Infrastruktur nutzen.“

Ford City Data Solutions Report

Im Rahmen des Ford City Data Solutions Report, der im Dezember 2018 veröffentlicht wurde, hat Ford, mit Zustimmung der Teilnehmenden, 160 Transportfahrzeuge mit einem Gerät zur Datenerfassung ausgestattet. Umfassende Daten wurden mit Zustimmung der Teilnehmer gewonnen und ausgewertet. Die Analyse bietet Erkenntnisse aus umgerechnet mehr als 15.000 Fahrzeugeinsatztagen. Gefahren wurde mit 160 speziell ausgerüsteten Lieferwagen. Die Flotte legte dabei insgesamt mehr als eine Million Kilometer zurück – das entspricht 20 Erdumrundungen – und lieferte 500 Millionen Einzeldaten.

Datenaufzeichnungen darüber, wohin Fahrzeuge gefahren sind, wo und wie lange sie geparkt wurden, ermöglichen die künftige Integration von Ladevorgängen in reguläre Fahrten. Profitieren könnten insbesondere Unternehmen, deren Fahrer unterwegs mehrmals ihr Fahrzeug abstellen, zum Beispiel im Zuge von Auslieferungen. Dieser Ansatz ließe sich über London hinaus auch auf weitere Städte ausweiten. Daten, die von real eingesetzten Fahrzeugen erfasst werden, könnten diesen Städten ermöglichen, effektiver zu planen, auch mit Blick auf ihr Infrastrukturbudget.

Ähnlicher Test mit PHEV-Transportern in London

Zwischen 2017 und 2018 nahmen in London 20 Plug-In-Hybrid-Varianten (PHEV) des Ford Transit Custom an einem thematisch eng verwandten Testprogramm teil. Bei dem Test handelte es sich um ein gefördertes Projekt zur Verbesserung der Luftqualität in der verkehrsreichen englischen Hauptstadt. Ein Ergebnis war, dass die gewerblich und kommunal eingesetzten PHEV-Transporter insgesamt zu 35 Prozent im reinen Elektromodus unterwegs waren, innerstädtisch stieg der Wert sogar auf 68 Prozent. Während des Versuchs mit einer Gesamtlaufleistung von 80.000 Kilometern wurde jedoch kaum Nutzung öffentlicher Ladestationen beobachtet. Fahrzeuge wurden stattdessen entweder in Niederlassungen, in städtischen Depots oder sogar zu Hause aufgeladen.

Schnellladestationen bieten eine Batterieladung von bis zu 80 Prozent in 30 bis 40 Minuten. Mittlerweile gibt es mehr als eine Million Elektroautos in Europa, und bis 2040 wird davon ausgegangen, dass Elektrofahrzeuge weltweit den Großteil aller Neuwagenverkäufe und ein Drittel aller Flotten ausmachen werden. Allerdings gibt es bereits Bedenken hinsichtlich eines möglichen Defizits bei der Bereitstellung von Ladestationen.

Erst kürzlich hatte Ford bekannt gegeben, wie Big Data dazu beitragen könnte, Städte sicherer zu machen – indem Datenanalyse zur Vorhersage potenzieller Verkehrsunfälle genutzt wird. Darüber hinaus hat das Unternehmen vergangene Woche in Amsterdam ein umfangreiches Portfolio an Neufahrzeugen vorgestellt, darunter 16 elektrifizierte Modelle vom kleinen Familienauto bis hin zu einem vom Ford Mustang inspirierten Performance-SUV sowie einem batterieelektrischen Ford Transit Transporter. Und mit der Gründung von Ionity stellt Ford gemeinsam mit weiteren Automobilherstellern die Weichen für den Aufbau eines leistungsstarken Schnellladenetzes für Elektrofahrzeuge in Europa. Die Errichtung und der Betrieb von insgesamt rund 400 Schnellladestationen bis 2020 sind wichtige Schritte, um Elektromobilität auch auf Langstrecken zu gewährleisten und damit im Markt zu etablieren.

„Elektrifizierung verändert die Art und Weise, wie wir unsere Fahrzeuge bewegen und betanken. Das Nachladen von Elektrofahrzeugen unterscheidet sich grundlegend von herkömmlichen Autos, bei denen das Nachfüllen mit Benzin oder Diesel nur fünf Minuten dauert“, wandte Scott ein. „Beim Auffinden zusätzlicher Ladepunkte haben wir den tatsächlichen Einsatz von Fahrzeugen berücksichtigt, um das Ladestationennetzwerk künftig den realen Aktivitäten von Autofahrern anzupassen.“

 

Details zum Ford City Data Solutions Report

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