Brennende Elektroautos im Test:

Wie Fahrzeuge sicherer sein könnten

von Moritz Hell

Autos mit Lithium-Ionen-Batterieantrieb sind nach wie vor in der Minderheit auf Österreichs Straßen, ihr Anteil steigt jedoch jährlich. Mit zunehmender Verbreitung erhöht sich auch das statistische Risiko für Verkehrsunfälle mit Beteiligung von Elektroautos – und damit in gravierenden Fällen die Möglichkeit eines Fahrzeugbrandes. Während für Fahrzeuge mit Diesel- oder Benzinantrieb seit vielen Jahren umfangreiche Erfahrungen bestehen – schließlich sind diese im Gegensatz zu Elektroautos seit Jahrzehnten auf den Straßen unterwegs –, gibt es zum Brand von Fahrzeugen mit Lithium-Ionen-Batterien nach wie vor offene Fragen für Einsatzkräfte hinsichtlich geeigneter Löschmittel sowie der bei einem Brand freigesetzten Emissionen. Aus diesem Grund starteten die Messtechnikexperten des TÜV-Süd-Geschäftsbereichs »Umwelttechnik & Klimaschutz« gemeinsam mit den Projektpartnern WN-Technical Training GmbH, dem österreichischen Bundesfeuerwehrverband und der Wiener Berufsfeuerwehr ein zweitägiges Feldexperiment. Eingebunden wurde auch das Joint Research Centre der Europäischen Kommission sowie die Berufsfeuerwehr Hamburg. Nun liegen die ersten Ergebnisse vor.

Gemeinsam mit den Projektpartnern führten die Messtechnikexperten des TÜV-Süd-Geschäftsbereichs »Umwelttechnik & Klimaschutz« im vergangenen Jahr einen Feldversuch zum Brandverhalten von Lithium-Ionen-Batterien, den dabei entstehenden und für Einsatzkräfte zu berücksichtigenden Emissionsrisiken sowie geeigneten Löschmitteln durch. Das zweitägige Experiment fand im Tritolwerk, einem Übungsplatz der ABC-Abwehrschule für den Katastrophenhilfsdienst, statt. Als Versuchsobjekte für die Löschexperimente der Feuerwehr sowie die Emissionsmessungen durch die Experten von TÜV Süd dienten unterschiedliche Akkumodelle sowie ein vollständiges Elektroauto.

Um möglichst nahe am Brandherd agieren zu können, bevor sich Emissionen mit der Umgebungsluft vermischen, entwickelten die Experten von TÜV Süd in Österreich für das Feldexperiment im Bezirk Wiener Neustadt eine spezielle Stahlhaubenkonstruktion. Hierdurch konnten Brandgase unmittelbar eingefangen und gemessen sowie die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet werden.

Gase „grundsätzlich problematisch, aber“

„Neben klassischen Brandgasen“ – wie Kohlenmono- und -dioxid – „war die Messung einer möglichen Freisetzung von Lösungsmittel für Elektrolytsalze für alle Beteiligten von großem Interesse, da durch Anhaftungen von Brandrückständen und Schadstoffen an der Schutzkleidung oder Ausrüstungsgegenständen potenzielle Risiken für Einsatzkräfte entstehen können“, erklärt Robert Hermann, Geschäftsbereichsleiter Umwelttechnik & Klimaschutz bei TÜV Süd in Österreich. „Die entstehenden Brand- bzw. Reaktionsgase sind zwar grundsätzlich problematisch, bei Einhaltung der gebotenen Sicherheitsmaßnahmen jedoch nicht als kritisch zu beurteilen. Die Messergebnisse sind eine wichtige Grundlage für die weitere Risikobewertung und Ableitung entsprechender Schutzmaßnahmen für Einsatzkräfte. Der Feldversuch macht deutlich, dass Einsatzkräfte bei Brandeinsätzen noch stärker auf die Kontaminationsthematik achten müssen.“

Welche Löschmittel am besten wirken

Ein weiterer Schwerpunkt der Versuchsreihe lag auf Löschmitteltests. Erprobt wurde der Einsatz von Glasperlen, Löschgel, metallischem Löschpulver, Schaum und Wasser. Die Versuche mit Glasperlen sowie metallischem Löschpulver zeigten, dass mit beiden Löschmittel keine nennenswerte Wirkung erzielt werden konnte. Hierzu wären Oberflächentemperaturen ab 1.000 Grad Celsius nötig, welche jedoch bei Bränden von Lithium-Ionen-Batterien nicht erreicht werden. Als besser geeignet erwiesen sich Löschgel, Schaum und Wasser.

Reaktion im Inneren der Batterie stoppen

Eine wesentliche Herausforderung bei der Löschung entsteht bei der Einbringung des Löschmittels in die Zellen, wie sich zeigte. „Wir kommen nur an die Oberfläche der Batterie und können dort kühlen. Die eigentlich zu stoppende Reaktion im Inneren wird nicht angetastet. Erste Versuche, Löschmittel direkt in die Zellen zu bringen, gibt es bereits. Es besteht aber nach wie vor Forschungsbedarf“, berichtet Michael Sykora, Einsatzoffizier der Wiener Berufsfeuerwehr und ÖBFV-Sachgebietsleiter »Gefährliche Stoffe«.

Was zu tun ist

Einige Fahrzeughersteller haben deshalb einen sogenannten »Fireman Access« entwickelt. Dabei handelt es sich um eine Öffnung, die den Zugang zum Hochvoltakku im Brandfall für Kühlmaßnahmen freigibt. Hierzu gibt es unterschiedliche Varianten, die Einsatzkräfte im Ernstfall mühevoll suchen und kennen müssen. Sykora spricht sich hier klar für eine Vereinheitlichung aus. Diese würde wertvolle Zeit sparen: „Eine Standardisierung mit einem »Kill switch« wäre eine sinnvolle Möglichkeit zur Lösung des Problems. Weitere Versuche und die Unterstützung der Hersteller sind jedoch erforderlich. Die Ergebnisse der Löschmittelexperimente helfen uns, im konkreten Anlassfall bestmöglich zu reagieren und damit auch das Verletzungsrisiko für Einsatzkräfte und Personen in unmittelbarer Umgebung des Brandherds zu verringern,“ führt er aus.

Angesichts der Tatsache, dass heutige Elektroautos gegenüber Verbrennern noch neu sind, verwundert es nicht, dass es in manchen Fällen – wie eben Bränden – noch Unklarheit herrscht. Einheitliche Mechanismen oder gar rechtliche Vorschriften dürften daher nur eine Frage der Zeit sein.

www.tuev-sued.at

Ähnliche Artikel

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Zur Speicherung Ihres Namens und Ihrer E-Mailadresse klicken Sie bitte oben. Durch Absenden Ihres Kommentars stimmen Sie der möglichen Veröffentlichung zu.

789