Im Rahmen der CES in Las Vegas, der Consumer Electronics Show, fand Bernhard Mattes, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) viele lobende Worte für die deutschen Autohersteller und -zulieferer.
Der düsteren Prophezeiung, der Automobilindustrie könnte ein ähnliches Schicksal drohen wie der Rollfilm- oder der Tonträgerbranche, setzt Mattes die Aufnahmefähigkeit des Automobils entgegen: Dieses sei bislang das einzige Produkt, das in der Lage war, sämtliche Innovationen aufzunehmen. Anders als in anderen Segmenten wanderte die Innovation nicht ins Internet, sondern wurde ins Fahrzeug integriert. Der Nutzwert des Autos sei dadurch sogar gestiegen. Als Beispiele nannte Mattes das Navigationsgerät, die Sprachsteuerung und Fahrassistenzsysteme.
Diese Anpassungsfähigkeit beziehe sich auch auf Umwelt- und Klimaschutz. Die CO2-Ziele der EU bedeuten für die deutsche Automobilindustrie laut Mattes „mehr Mobilität mit weniger Emissionen, mehr Wachstum mit weniger Ressourcenverbrauch“. Daher wird die deutsche Automobilindustrie in den kommenden drei Jahren ihr Angebot an E-Modellen auf 100 erhöhen und im selben Zeitraum 40 Milliarden Euro in alternative Antriebe investieren. In diesem Zusammenhang weist Mattes darauf hin, dass bereits jetzt weltweit jedes dritte Patent im Bereich Elektromobilität und Hybridantrieb aus Deutschland kommt. So gesehen sei die deutsche Automobilindustrie die innovativste. Schließlich investiere sie im globalen Vergleich das meiste Geld in die Forschung.
Autonomes Fahren bringt neue Möglichkeiten
Geht es nach dem VDA, ist die Zukunft des Autos nicht nur elektrisch, sondern auch digital: „Künstliche Intelligenz spielt eine entscheidende Rolle auf dem Weg zum automatisierten und fahrerlosen Fahren. Und sie bietet für die Automobilindustrie enorme Potenziale“, sagt Mattes. Er erwartet durch den Fortschritt in der Technologie weniger Unfälle, eine Verflüssigung des Verkehrs sowie eine Vernetzung mit allen Verkehrsteilnehmern. Auch hier befinde sich die deutsche Autoindustrie im Spitzenfeld; rund die Hälfte der Patente zum vernetzten und automatisierten Fahren komme von ihr.
Diese Position wolle man festigen, weshalb die deutschen Hersteller in den kommenden drei Jahren 18 Milliarden Euro investieren werden, um durch Digitalisierung das automatisierte Fahren voranzutreiben. Digitalisierung bedeutet für Mattes, dass Autohersteller und -zulieferer in Zukunft auch Mobilitätsdienstleister sein werden. Denn „Elektromobilität und Digitalisierung wachsen zusammen, sie verschmelzen zu neuen Mobilitätsformen.“ Dazu gehören etwa Carsharing, Ride-Pooling (vereinfacht gesagt das Teilen eines Taxis) und die entsprechenden Mobilitätsplattformen wie Apps.
Mattes hält es für denkbar, dass 2020 allein in Europa, China und den USA schon rund eine Million Spezialfahrzeuge für Mitfahrdienste verkauft werden. Die meisten dieser Autos würden vermutlich elektrisch betrieben sein. Bis 2030 könnten fünf Millionen davon unterwegs sein – autonom. Allerdings wird das autonome Fahren das vom Menschen gesteuerte nicht verdrängen. „Nach meiner Überzeugung sind das keine Gegensätze, sondern künftig zwei Seiten einer Medaille. Für den Kunden ergeben sich dadurch neue Wahlmöglichkeiten“, legt Mattes seine Ansichten dar. In beiden Fällen werden Sprachsteuerungssysteme eine Rolle spielen. „Die Zeit des Knöpfchendrückens ist vorbei.“
Die Pläne der Hersteller und Zulieferer
Mattes gibt auch einen Einblick in die Pläne der Hersteller. BMW arbeitet am Vision iNext. Bei diesem kann der Fahrer entscheiden, wie er die Zeit während der Fahrt nutzen möchte – selbst fahren oder gefahren werden und dabei arbeiten oder doch Entertainment genießen? Audi geht einen ähnlichen Weg; stellte außerdem Innovationen rund um sein erstes rein elektrisches SUV e-tron vor. Mercedes präsentierte indes den Benz EQC und den Vision Urbanetic. Das Konzept des letzteren „reduziert Verkehrsströme, entlastet innerstädtische Infrastrukturen und trägt zu einer neuen urbanen Lebensqualität bei“, verspricht Mattes.
Bei den Zulieferern ist die das intelligente Fahrzeugtürsystem von Continental erwähnenswert. Autonome Türen und smarte Türbremssysteme werden für fahrerlose Fahrzeuge unerlässlich sein.
Das Verschwinden des Kleinwagens
Dass im Schatten des Wandels der Kleinwagen verschwindet, sei übrigens nicht Schuld der Hersteller, sondern vom Kunden so gewollt, behauptet Mattes: „Dem Downsizing des Automobils steht eine zentrale Kundenforderung entgegen: Auch künftig wird ein neues Modell – wenn es nicht gerade eine Nische bedienen will – nur dann größere Stückzahlen generieren, wenn es Platz für mindestens vier Personen und einen entsprechend großen Kofferraum bietet.“
„Anschub von außen nicht nötig“
Insgesamt glaubt der Präsident des Verbandes, dass derjenige Wirtschaftsraum, der die Transformation am schnellsten vollzieht, den Weltmarkt dominieren wird. Die deutsche Automobilindustrie sei „hellwach, mutig und zukunftsorientiert“ – und brauche daher „keinen Anschub von außen“. Mit Blick auf die anstehende Messe in Frankfurt schließt Mattes: „Die großen Fortschritte bei Elektromobilität, Digitalisierung, vernetztem und automatisiertem Fahren sowie dem autonomen Fahren werden wir auch auf der IAA 2019 in Frankfurt erleben. Wir freuen uns auf viele neue Formate und Player, von Startups und Tech-Unternehmen. Die IAA transformiert sich wie die gesamte Branche. Die Kernbotschaften, die wir bereits jetzt hören, werden im September in Frankfurt auf der IAA noch akzentuierter formuliert. Wir freuen uns darauf.“