Logistik, Ladestationen und Lithium

BieM Herbstkonferenz 2018

von Michael Brandstetter

von Michael Brandstetter (MiB)

Experten, Automobilverantwortliche und e-Mobility-Forscher trafen sich auch heuer wieder am 6. September im Rahmen der 2. BieM Herbstkonferenz. Themenschwerpunkte diesmal: e-mobility in der Logistik, Nachhaltigkeit und use cases im e-Sektor. Wie sieht es mit Ladestationen im Lande aus? Welche Zukunftsszenarien für Elektromobilität liegen bereits in den Schubladen und wie steht es um das Thema saubere Mobilität?

Bereits die einleitenden Worte von Helmut-Klaus Schimany, Vorstandsvorsitzender der BieM Austria zeigten, welche neuen Hürden noch beim Thema E-Mobilität zu bewältigen sind.

Helmut-Klaus Schimany (Vorstandsvorsitzender BieM Austria) verdeutlichte Problematiken wie mangelnde Infrastruktur und Ladekapazitäten.

Die Grußbotschaft der Bundesministerin für Nachhaltigkeit und Tourismus, Elisabeth Köstinger, offenbarte die Prioritäten der Themen E-Mobilität und klimaoptimiertes Handeln.

Mit der Mission 2030 sollen die gesetzten Klima- und Energieziele erreicht werden, wobei der Verkehrssektor das größte Sorgenkind ist. Darüber hinaus stehen Förderungen von Infrastrukturprojekten im Fokus, aber auch etwa die Beseitigung von strukturellen Problemen. Klaus Schmid, Keynote-Speaker und einer der Vorstände der BieM, skizziert zu Beginn Szenarien für zukünftige Mobilitätskonzepte der Städte.

5 vs. 16.000 oder Europa hat Aufholbedarf

Dass die Umstellung auf Elektroantrieb auch im großen Stil im Personennahverkehr umzusetzen ist, zeigt China bereits jetzt vor. Shenzhen hat als erste Stadt der Welt seine gesamte Busflotte auf Elektroantrieb umgestellt. Die Zahlen: 16.000 Elektrobusse sparen innerstädtisch jährlich 1,35 Millionen Tonnen an CO2-Emissionen, 510 Busladestationen mit 8000 Ladesäulen, welche die Fahrzeuge in zwei Stunden aufladen.

Zahlen, die in Europa Staunen verursachen und nachdenklich machen. In Berlin fahren aktuell fünf(!) Elektrobusse durch die Stadt, in Wien sind vorerst nur die kleinen Brüder in der Innenstadt im Einsatz.

Bezüglich der Infrastruktur zum Thema Lademöglichkeiten sagt Jürgen Hallasz (Wien Energie): „Die erste Phase ist abgeschlossen, 5 Ladestationen, also 10 Ladepunkte pro Bezirk sind bereits realisiert. Nun wird für die Nachverdichtungsphase evaluiert, sodass die geplanten 1000 Ladestationen künftig an optimalen Standorten stehen.“

Neue Logistikherausforderungen

Frank Müller, Gründungsmitglied des deutschen Bundesverbandes für Elektromobilität (BEM) betont zum Thema Nachhaltigkeit, dass Retro-fitting ein sehr wichtiges Thema auch in der Logistik ist.

Frank Müller, Gründungsmitglied des deutschen Bundesverbandes für Elektromobilität (BEM)

Müller betont auch andere Vorteile: „Wenn das Fahrzeug am Sonntag steht, kann die Batterie als Energiespeicher etwa für Photovoltaik oder erneuerbare Energie genutzt werden. Da müssen wir hin, um die Mobilitätskosten zu senken.“

Hermine Resch, Geschäftsführerin der Herbert Temmel GmbH, meint zur Umstellung auf die E-Flotte: „Wir haben die ersten Kinderkrankheiten bei der Umrüstung von unseren zwei Elektro-LKWs bereits hinter uns. Ein neuer Elektro-LKW Prototyp ist bereits in Bau und wir werden 20 Diesel-LKWs bis 2019 umrüsten.“

Der Fuhrpark der österreichischen Post beispielsweise umfasst bereits aktuell 1.500 E-Fahrzeuge. „Aber auch im Bereich der Management-Fahrzeuge wollen wir die Flotte auf Elektrobetrieb umstellen. So schaffen wir einen E-Gebrauchtwagenmarkt, wenn die Fahrzeuge nach etwa 5 Jahren wieder abgestoßen werden.“, sagt Horst Ulrich Mooshandl, Konzernverantwortlicher für den Fuhrpark der Post.

Geht es Infrastruktur und Ladezeiten, dann scheiden sich die Geister. Während die tiefenentspannten E-Fanatiker scheinbar immer eine Lösung finden, kommen die Anti-Stromer bei diesem Thema auf Touren. Combined Charging System (CCS) heißt das Allheilmittel für die Ungeduldigen und tatsächlich stehen bis zu 300 kW Ladeleistung mittelfristig im Raum, die derzeitige Grenze liegt bei 150 kW. Beachtlich, denn im Optimalfall (300kW Ladeleistung) bedeutet dies für die Zukunft, dass ein Elektro-PKW mit einer Batteriekapazität von 33 kWh in guten 6 (!) Minuten vollgeladen wäre.

Brave new world?

Das Zukunftsszenario Autonomes Fahren wird für die Gesellschaft einen erheblichen Mehrwert an Lebensqualität bringen, etwa automobilberuhigte Städte, Abgasreduktion und ein Optimum an Sicherheit und Komfort. Neben allen positiven Aspekten schwingt immer ein wenig irrationales Verhalten mit, besonders deutlich bei den Themen Freiheit und Privatsphäre – das Eigentum Auto ist und bleibt ein ambivalentes Feld.

Angelika Rauch, Vorstandsmitglied der BieM, verweist auch auf negative ökosoziale Auswirkungen der Elektromobilität, etwa bei der Entsorgung von Batterien. Bei der Second-Life-Option von Batterien etwa werden diese noch weiter als Speichermedium in der Gebäudetechnik eingesetzt. „Rework-Maßnahmen“, welche nur den Tausch tatsächlich irreparabler Zellen vorsehen, stellen ebenfalls eine effektive Möglichkeit der Nachnutzung dar. Zum Thema Batterie-Entsorgung weiß Michaela Heigl von Saubermacher AG zu berichten: „Wir beschäftigen uns bereits seit 2010 mit dem Thema Lithium-Batterien und haben auch eine entsprechende Entsorgungsanlage. Der Recycling-Grad liegt hier bei ca. 70%, wir arbeiten an einer Verbesserung der Quote, sind aber an die Hersteller auch gebunden.“

Prof. Ulrich Blum (Fraunhofer-Institut, Center for Economics of Materials)

Das große Geschäft mit der E-Mobilität

In der E-Mobilität eröffnen sich vielerlei neue Geschäftsfelder, sei es für Hersteller, Betreiber von Parkanlagen, aber auch cross-selling Möglichkeiten am Point of Sale.

Probleme orten Experten generell beim Umdenken in den Köpfen. Auch innerhalb der Branche gibt es zum Teil Ressentiments und der Glaube an eine veränderte Zukunft der Mobilität fehlt. Ob dies dann etwa Elektrofahrzeuge oder wasserstoffbetriebene Fahrzeuge sind, weiß heute niemand ganz genau.

Prof. Blum vom Fraunhofer-Institut (Center for Economics of Materials) bringt die Problematik auf den Punkt: „Wir werden viele Dinge parallel laufen lassen in nächster Zeit, dazu gehören Elektromobilität, aber auch die alte Technik, synthetische Energien wie Wasserstoff mit der Brennzelle. Im Moment benötigen wir für die Elektromobilität Strom aus Atomenergie oder Kohle und das ist wahrscheinlich nicht die richtige Alternative.“

Diskrepanzen gibt es bei Wirtschaft, Gesellschaft und Politik. Werden zukunftsweisende Fortschritte nur halbherzig umgesetzt und Kompromisse unter allen beteiligten Akteuren nicht zu Wege gebracht, wird der Zug in ein neues Zeitalter verpasst. Was China im Moment bereits zu Wege bringt, zeigt was möglich ist, wenn es unabdingbar ist, Umweltprobleme schnell in den Griff zu bekommen.

Wir alle sind gefordert für künftige Aufgaben. Die BieM als Brückenbauer aber ebenso die Politik und nicht zuletzt Europa.

www.biem.at

mission2030.info

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