Neuwagenabsatz in der EU weiter unter Druck

WLTP Nachwehen halten an

von David Lodahl

Der europäische Neuwagenmarkt fasst nach dem WLTP-bedingten Absatzeinbruch nur mühsam wieder Tritt: Die Neuzulassungen in der EU sanken im November um acht Prozent, im bisherigen Jahresverlauf ergibt sich noch ein Plus von knapp einem Prozent. In Österreich schrumpfte der Absatz im November um 20 Prozent und seit Januar um zwei Prozent.

Seit dem 1. September dürfen in Europa nur noch Fahrzeuge verkauft werden, die nach den neuen WLTP-Regeln zugelassen wurden. Daher hatten einige Autohersteller im Vorfeld der Umstellung noch im großen Stil alte NEFZ-Modelle zu günstigen Preisen in den Markt gedrückt – was zu Absatzeinbrüchen in den Folgemonaten führte. Zudem steht bei einigen Marken immer noch nur ein eingeschränktes Angebot zertifizierter und lieferbarer Modelle zu Verfügung – mit entsprechenden Folgen für den Absatz. Betroffen sind derzeit vor allem Porsche (minus 62 Prozent), Audi (minus 40 Prozent) und Renault (minus 28 Prozent).

Für andere Hersteller ist das WLTP-Kapitel hingegen offensichtlich abgeschlossen: So konnte etwa Mercedes seinen Absatz in der EU gegen den Trend um 4,5 Prozent erhöhen.

Gerhard Schwartz, Partner und Sector Leader Industrial Products bei EY Österreich, erwartet angesichts der anhaltenden Probleme einiger Hersteller, dass auch im Dezember noch Rückgänge zu erwarten sind – zumal weniger Verkaufstage zur Verfügung stehen als im Vorjahr. „Die WLTP-Verwerfungen erweisen sich als hartnäckiger als zunächst erwartet. Die nach wie vor bestehenden Lieferengpässe werden wohl dazu führen, dass der EU-Neuwagenmarkt in diesem Jahr allenfalls noch minimal wachsen wird – nachdem im ersten Halbjahr noch ein Wachstum von knapp 3 Prozent registriert worden war.

Diesel-Marktanteil weiter unter Druck

Im November sanken die Neuzulassungen von Diesel-Pkw in den fünf größten EU-Märkten (Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Italien und Spanien) um 22 Prozent und damit noch erheblich stärker als der Gesamtmarkt. In Österreich sank der Absatz von Diesel-Pkw sogar um 32 Prozent.

Der Diesel-Marktanteil schrumpfte in den Top-5-Märkten um 6,8 Prozentpunkte auf 35,6 Prozent und in Österreich um sieben Prozentpunkte auf 38,6 Prozent.

Immerhin: Im Vergleich zum Vormonat Oktober erholte sich der Marktanteil in den Top-5-Märkten etwas, was allerdings vor allem auf die Entwicklung in Deutschland zurückzuführen war, wo sich erstmals seit November 2015 der Absatz von Benzin-Pkw schlechter entwickelte als der Absatz von Dieselneuwagen. Während in Deutschland der Negativtrend also möglicherweise gestoppt ist, bleibt der Diesel-Marktanteil in anderen Märkten – vor allem in Spanien und Italien – massiv unter Druck: Hier sank der Diesel-Marktanteil um 11 bzw. 14 Prozentpunkte.

In einigen Märkten scheint sich die Lage für den Diesel zu stabilisieren, der Marktanteil pendelt sich auf einem niedrigen Niveau ein und sinkt derzeit nicht weiter“, beobachtet Schwartz. „Allerdings flaut die Diesel-Debatte nicht ab, und immer wieder sorgen Gerichtsentscheide über Fahrverbote für neue Unsicherheiten für potenzielle Autokäufer. Zudem kündigen immer mehr Autohersteller den kompletten Ausstieg aus dieser Technologie an oder bieten weniger Diesel-Varianten an. Damit ist absehbar, dass der Diesel mittelfristig eine noch geringere Rolle spielen wird, was wiederum negative Folgen für die CO2-Emissionen der Neuwagenflotte bedingen wird. Inzwischen ist klar, dass die ambitionierten Vorgaben der EU nur noch über einen massiven Anstieg der Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen zu erreichen sind.

Absatz von Elektrofahrzeugen steigt – weiter auf sehr niedrigem Niveau

Zwar stieg der Absatz von Elektrofahrzeugen im November deutlich, allerdings von einem nach wie vor niedrigen Ausgangsniveau: Im November kletterten die Neuzulassungen von Elektrofahrzeugen in den Top-5-Märkten um 71 Prozent, im bisherigen Jahresverlauf immerhin um 33 Prozent. In Österreich stieg der Absatz von Elektroautos im November sogar um 86 Prozent – im bisherigen Jahresverlauf hingegen nur um 25 Prozent.

Von den sieben analysierten Absatzmärkten (Top-5 sowie Österreich und Schweiz) weist Österreich im bisherigen Jahresverlauf mit 1,9 Prozent den höchsten Marktanteil von Elektrofahrzeugen auf, während in Italien gerade einmal 0,3 Prozent der Neuwagen rein elektrisch fahren. Von Januar bis November wurden in den fünf größten EU-Absatzmärkten insgesamt gut 87.000 Elektroautos neu zugelassen – gut 32.000 davon in Deutschland. In Österreich kamen in diesem Jahr knapp 6.200 Elektroautos auf die Straßen.

„Die Wachstumsraten bei Elektrofahrzeugen sind auf den ersten Blick beeindruckend“, so Schwartz. „Tatsächlich spielen Elektroautos auf dem Neuwagenmarkt aber nach wie vor eine absolut untergeordnete Rolle. Die Gewinner der Dieselkrise sind eindeutig der Benzin- und der Hybridbetrieb.

Die Neuzulassungen von Hybrid-Pkw stiegen im bisherigen Jahresverlauf gegenüber dem Vorjahreszeitraum in den größten fünf Absatzmärkten um 34 Prozent und in Österreich um 15 Prozent, der Marktanteil kletterte von 3,3 auf 4,4 Prozent bzw. von 2,3 auf 2,8 Prozent. „Zumindest im Premiumsegment gewinnt der Hybridantrieb in vielen Märkten derzeit stark an Bedeutung – auch als Alternative zum Diesel“, beobachtet Schwartz.

Der von vielen prognostizierte Boom bei Elektrofahrzeugen wird nach Schwartz‘ Einschätzung vorläufig auf sich warten lassen: „Die Grundprobleme sind nach wie vor weitgehend ungelöst: Die Auswahl attraktiver, bezahlbarer und tatsächlich lieferbarer Modelle ist sehr überschaubar, die Reichweiten sind für den Alltagsbetrieb zumeist zu gering und die Ladeinfrastruktur ist immer noch unzureichend.“ Immerhin komme nun Bewegung in den Markt: „Derzeit werden zahlreiche spannende Elektroautos vorgestellt, die in den kommenden Monaten und Jahren auf den Markt kommen werden. Die Autokonzerne investieren Milliarden in diese Technologie und in die Umrüstung ihrer Fabriken – das wird nicht ohne Folgen für den tatsächlichen Absatz bleiben. Spätestens ab dem Jahr 2022 werden die Karten neu gemischt – dann könnte der Marktanteil sogar bald zweistellig werden.“

Quelle: ikp Wien

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