Intelligente Ladekonzepte:

Urban Charging – Entlastung für Städte und Umwelt

von Oliver Kube
von Tina Zierul Foto: © ChargePoint

Durch das Homeoffice haben manche Menschen vielleicht schon vergessen, wie stressig der Weg zur Arbeit sein kann. Doch diejenigen, die regelmäßig ins Büro müssen, kennen den zähfließenden Berufsverkehr und Stau morgens und abends. Bei der Parkplatzsuche wird es nicht besser. Wer die zehnte Seitenstraße vergeblich nach einem Parkplatz absucht, kommt sich vor wie Odysseus auf seiner Irrfahrt. Hat man ein Elektrofahrzeug, kann das Stresslevel noch weiter steigen. Zwar gibt es immer mehr öffentliche Ladepunkte, aber diese werden häufig von widerrechtlich abgestellten Diesel-Fahrzeug blockiert oder es bilden sich Warteschlangen.

Das sind nur einige Beispiele, die zeigen: Deutschland braucht dringend alternative Mobilitätslösungen, mit denen wir Städte und Umwelt entlasten. Dazu gehört, das Laden von Elektrofahrzeugen – das sogenannte Urban Charging – komplett neu zu denken und zu gestalten. Konzepte für 2022 umfassen Wartelisten und Reservierungsfunktionen, am besten politisch begleitet durch ehrgeizige Gebäudevorgaben und effiziente Förderprogramme.

Laut dem Kraftfahrtbundesamt (KBA) entfielen im ersten Halbjahr 2021 39 Prozent der Neuzulassungen auf Fahrzeuge mit alternativen Antrieben. Stand erster November 2021 gibt es in der Bundesrepublik etwa 42.000 normale und 7.200 Schnellladestationen. Das Carsharing litt 2020 zwar unter der Pandemie, im Verlauf des Jahres erholte sich der Markt jedoch – nach Angaben des ADAC nutzten es etwa 2,9 Millionen Deutsche. In 855 Städten und Gemeinden wurde der Service zum Jahresanfang 2021 angeboten. Ebenfalls auf dem Vormarsch befindet sich die Mikromobilität. McKinsey hat in einer Studie berechnet, dass Roller, Fahrräder, Lastenräder, Scooter und dergleichen in Europa bis 2030 150 Millionen Euro umsetzen werden. Dies liegt unter anderem an den steigenden Einwohnerzahlen und daran, dass die innerstädtische Durchschnittsgeschwindigkeit ohnehin bei lediglich 15 km/h liegt und dass die meisten Fahrten weniger als acht Kilometer Reichweite messen, weshalb sie auch gut von Elektrokleinfahrzeugen zurückgelegt werden können.

Deutschland fährt nicht nur – es bewegt sich auch

Zusätzlich zur Anzahl der alternativen Mobilitätslösungen steigt auch das gesellschaftliche Bewusstsein für die Notwendigkeiten des Klimaschutzes. Umweltfreundliche Fortbewegungsmöglichkeiten, auch jenseits des eigenen PKWs – sei es durch den öffentlichen Nahverkehr, Carsharing, Ridesharing, eBikes oder eScooter werden zunehmend genutzt. Diese Entwicklung ist notwendig. Denn nach Angaben des Bundesumweltamts (UBA) ist der Verkehrssektor für etwa 20 Prozent der Gesamtemissionen in Deutschland verantwortlich. Diese modernen, umweltfreundlicheren Alternativen bringen neue Technologien und Geschäftsmodelle mit sich, an die auch neue Abrechnungsmethoden, rechtliche und versicherungstechnische Aspekte geknüpft sind. Daher erfordern sie ein proaktives Vorausdenken in Politik und Wirtschaft. Viele der neuen Lösungen benötigen Strom. Dabei geht es nicht nur darum, erschwingliche E-Mobile auf die Straße zu setzen, sondern vor allem darum, alle Elektrofahrzeuge effizient mit Strom zu versorgen. So entsteht ein neuer Grundbedarf nach Urban Charging – die Verfügbarkeit von Lademöglichkeiten – an sinnvollen Orten, mit intelligenten Lösungen, mit nachhaltig erzeugtem Strom. Für die kleinen eScooter bis hin zu den Bussen des ÖPNV und Lieferfahrzeugen – Urban Charging ist ein Thema, das vieles in Bewegung bringt.

Urban Charging – so können Städte aufladen

Um Fehlinvestitionen zu vermeiden, müssen die „use cases“ in Sachen Mobilität auf lange Zeit im Voraus antizipiert werden. Welche Bedeutung haben private PKW überhaupt in Zeiten von Sharing-Konzepten und Mikromobilität? Wie entwickelt sich die Nutzung des ÖPNV? Welche Neuerungen zeichnen sich in der Logistik ab? Das sind nur einige Blickwinkel, die zu berücksichtigen sind, wenn es darum geht, die Ladeinfrastruktur für die zunehmende Elektromobilität – vor allem in Städten – zu planen. Ein typischer „use case“ wäre hier zum Beispiel die Nutzung eines privaten PKW.

Laut BMDV (früher BMVI) verbringen private Fahrzeuge in Deutschland ihr Leben primär auf Parkplätzen. Die durchschnittliche Bewegungszeit eines Automobils liegt bei 45 Minuten pro Tag. 40 Prozent der Fahrzeuge werden nicht einmal täglich bewegt. Wenn die Autos genutzt werden, dann fahren sie meist zwischen Wohnort und Arbeitsstelle des Besitzers oder zu Erledigungen, beispielsweise zum Supermarkt. Wo „tanken“ sie Strom? Ausgehend von dieser Frage entwickeln wir bei ChargePoint bereits erste vorausschauende Lösungen:

Aufladen zuhause, in Wohnquartieren: Ein Berliner Immobilienunternehmen betreibt in mehreren seiner Wohngebäude eine Ladeinfrastruktur, die nicht nur für die Hausbewohner zur Verfügung steht. Durch Zugangskontrollen und ein Cloud-basiertes Stationsmanagement können auch andere zugelassene Nutzer ihre Fahrzeuge dort aufladen.

Energie tanken am Arbeitsplatz: Ein IT-Dienstleister in Hamburg hat mit unserer Hilfe nach der Elektrifizierung seines Fuhrparks auch die Ladeinfrastruktur in der Firmengarage ausgebaut. Hier tanken nun auch Mitarbeiter, Kunden und Lieferanten Strom. Dank des Cloud-basierten Stationsmanagements können verschiedene Tarife für verschiedene Nutzergruppen abgerechnet werden und eine App mit Wartelistenfunktion sorgt für mehr Nutzungskomfort.

IT-Schnittstellen zwischen Netzbetreiber und Ladeinfrastruktur Schaubild

IT-Schnittstellen zwischen Netzbetreiber und Ladeinfrastruktur (Foto: ChargePoint – Urban Charging Schaubild (Whitepaper))

Solche halb-öffentlichen Ladeangebote entlasten den Bedarf im öffentlichen Raum, sie entspannen die Parkplatzsituation und erhöhen die Motivation zur Anschaffung von Elektrofahrzeugen. Weil sie den Betrieb einfach machen – mit smarten Softwarelösungen im Hintergrund.

Und das Beste: öffentlich zugängliche Ladepunkte können auch in Zeiten, wo keine Mitarbeiter oder Gäste anwesend sind, gebucht werden – der Betreiber kann dies mit ein paar Klicks im Backend einstellen – und in Zukunft hoffentlich auch feste Reservierungen anbieten.

Urban Charging Hubs als intermodale Knotenpunkte

Es gibt unzählige weitere „use cases“, die für die verschiedenen Nutzer und Formen der Elektromobilität zu berücksichtigen sind. Ein Ansatz ist die Einrichtung von „Urban Charging Hubs“. Diese im Stadtgebiet verteilten Ladeparks bieten Ladepunkte mit 150 kW Leistung für eine schnelle Aufladung. Sie fungieren als Anlaufstellen für Taxis, Mietwagen, Carsharing-Fahrzeuge, Busse des ÖPNV, Lieferfahrzeuge und Mikromobilitätsanwendungen. Sie können als intermodale Verkehrsknotenpunkte dienen, an denen direkt zwischen verschiedenen Fortbewegungsmitteln gewechselt wird. Paket- und Lieferdienste könnten sie als Mikro-Depots nutzen, um Lieferdistanzen zu verkürzen. Urban Charging Hubs vereinfachen die Planung der Ladeinfrastruktur und bieten viele Nutzungspotenziale.

Die technischen Lösungen für ein zukunftsfähiges, nutzerfreundliches und nachhaltiges städtisches Ladenetz sind bekannt und gut erprobt. Woran es oftmals fehlt, sind ein ehrgeizige Vorgaben für Gebäude, alt und neu und eine vorausschauende Städteplanung unter Einbezug der Flächenbesitzer, der Flottenbetreiber und der Pendlerorte der Umgebung. Das muss sich dringend ändern. Andernfalls drohen Fehlinvestitionen und jede Menge Frust bei allen Beteiligten. Ladeinfrastruktur ist weit mehr als nur ein notwendiges Übel auf dem Weg zu sauberer Mobilität: Sie ist wesentlicher Bestandteil attraktiver und lebenswerter Städte.

ChargePoint_TinaZierul

Tina Zierul (Foto: ChargePoint)

 

Tina Zierul ist
Senior Director Public Policy
bei ChargePoint.

Ähnliche Artikel

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Zur Speicherung Ihres Namens und Ihrer E-Mailadresse klicken Sie bitte oben. Durch Absenden Ihres Kommentars stimmen Sie der möglichen Veröffentlichung zu.

789