Das war der Fachkongress „Vernetzte Mobilität“:

Aufbruch in ein neues Zeitalter der Mobilität

von Moritz Hell

Henndorf am Wallersee/Österreich – Der bereits 4. Internationale Fachkongress »Vernetzte Mobilität« am 16. Jänner 2020 im Rahmen der Vienna Autoshow stand unter dem Motto „Aufbruch in ein neues Zeitalter der Mobilität“. Qualitativ hochwertige Beiträge von renommierten Fachexperten boten dem anwesenden Fachpublikum ein höchst spannendes und attraktives Programm. Durch den Fachkongress führte in gewohnter Manier Ralf Hillebrand. Die Fortsetzung dieses etablierten Kongressformates im Jänner 2021 ist bereits fixiert.

Die jahrzehntelange Hochkonjunktur in der Automobilindustrie hat ihren Zenit überschritten – das befand Veranstalter Raimund Wagner in seinem Eröffnungsstatement. Der Großteil der Mobilitätsleistung werde zwar in den nächsten zwei Jahrzehnten weiterhin auf das Auto zurückgehen und das Auto auf absehbare Zeit das Verkehrsmittel Nummer eins bleiben; doch der Konsum von Mobilität, wie er über Jahrzehnte hinweg praktiziert worden sei, erlebe gerade eine historische Zäsur. Was vor uns liege, sei der Beginn eines neuen, multimobilen Zeitalters. Wir stünden vor ähnlichen Umwälzungen wie nach der Erfindung des Autos vor 125 Jahren. Wenn heute von der Zukunft der Mobilität die Rede sei, gehe es nicht länger nur um Verkehrsmittelnutzung, neue Antriebsformen und Fahrzeugfeatures. Die Welt der Mobilität ändere sich radikal und wird sich weiter verändern.

Prof. Dr. Stefan Bratzel, Direktor und Gründer des Center of Automotive Management in Deutschland, gab in seiner Keynote „Automobilindustrie im Kampf der Welten – Thesen zur Transformation der Branche“ spannende Ausblicke. Die Automobilindustrie gerät immer mehr in den Strudel des automobilen Umbruchs. Sie müsse sie sich gegen neue Wettbewerber bewähren, die im Bereich E-Mobilität und der Mobilitätsdienstleister zu Konkurrenten werden. Die Transformation der Automobilindustrie entwickelt sich zunehmend zu einem Kampf der Welten zwischen den etablierten Autoherstellern, neuen Mobilitätsdienstleistern und großen Digital Playern. Die Automobilindustrie werde in den nächsten Jahren kaum wiederzuerkennen sein. Elektromobilität, Digitalisierung, Autonomes Fahren und Mobilitätsdienstleistungen lauteten die Schlagwörter des Wandels. Diese Veränderung habe Einfluss auf die Wertschöpfung, auf Geschäftsmodelle und Strategien von Automobilherstellern, Zulieferunternehmen und den Service. Es komme zudem zu einem „Kampf der Welten“ zwischen der Automobilindustrie und den Digital oder Big Data Playern. In den nächsten zehn bis 15 Jahren würde sich entscheiden, wer die Schlüsselrolle in der Mobilität der Zukunft einnehme.

In seinem sehr kurzweiligen Beitrag „Lösungsansätze für die Herausforderungen der städtischen und stadtnahen Mobilität“ skizzierte Dr. Matthias Kreimeier von der e.GO Mobile AG realitätsnahe Möglichkeiten für den Mobilitätswandel. Das zukunftsfähige Verkehrskonzept für die Mobilität von morgen müsse durchdacht und die Umsetzung vorangetrieben werden. Letztendlich gehe es um eine Revolution in den Innenstädten, um die emissionsfreie Mobilität, die sich deutlich von den Ansätzen der Automobilindustrie unterscheide, zu realisieren. Der Verkehr in der Innenstadt müsse radikal geändert werden: Verkehrsinfarkte in den Ballungszentren gehören vermieden, Städte emissions- und staubfrei gemacht werden. Statt Diesel und Benzin gilt es, elektrisch zu fahren oder plug-in-hybrid, wenn die Strecke über die Stadtgrenze hinausgeht. Der Verkehr muss gebündelt werden, Park-and-Ride-Stationen brauchen Shuttleservices, um Fahrgäste werden ans Ziel zu bringen. Das wäre für die Menschen viel angenehmer, würde den Verkehrsinfarkt mindern und es wäre vor allem emissionsfrei. Der CEO der e.GO Mobile AG und Elektroautopionier Günther Schuh hat die Automobilindustrie mit dem Elektrotransporter StreetScooter bereits revolutioniert, nun folgt das Stadtauto e.GO Life und der autonom fahrende Kleinbus e.GO Mover. Damit will man die Mobilität wieder angenehm machen, bisherige Angebote besser auslasten und Städte von Verkehrsmassen befreien.

Matthias Fiegl von Magenta Telekom ging in seinem Beitrag der Frage nach, wie NB-IoT und 5G unsere Zukunft verändern können. Die Zukunfts-Szenarien des IoT. Wireless-Technologien spielten heute in der Kommunikation eine Schlüsselrolle und würden dies in den kommenden fünf Jahren auch für neue Anwendungen wie Roboter, Drohnen und selbstfahrende Fahrzeuge tun. Mit dem wachsenden Internet der Dinge werde rund um den Globus zunehmend alles vernetzt. Dank 5G dürfte in nicht allzu ferner Zukunft eine Hochgeschwindigkeitsverbindung für alle verfügbar sein – außer dort, wo es keine Netzabdeckung gibt. Eine vielversprechende Lösung im Rahmen des Internet der Dinge sei Narrowband IoT – ein schmalbandiges Internet. NarrowBand-IoT ist ein neuer Mobilfunkstandard, der auf die Vernetzung von Geräten im Internet of Things spezialisiert ist. Insbesondere Anwendungen mit zahlreichen Geräten wie das Tracking vieler individueller Güter mit integrierter Zustandsüberwachung könnten so wirtschaftlich realisiert werden.

Ein eher unerwarteter Höhepunkt war der kurzweilige und humorvolle Vortrag von Klimaforscher Priv. Doz. Mag. Dr. Christoph Matulla, der Folgen und Chancen der Mobilität im Rahmen des Beitrages „Klimavergangenheit, künftig mögliche Entwicklungen und Bemerkungen zur Mobilität“ beleuchtete. Die Folgen des Klimawandels in Umwelt und Gesellschaft werden zunehmend spürbar. Das Klima ändert sich bereits und wird sich auch in Zukunft weiter wandeln. Vermehrt auftretende Wetteranomalien und Extremwettereeignisse werden heute von der überwiegenden Zahl der WissenschaftlerInnen auf den Klimawandel zurückgeführt. Treibende Kraft sind die vom Menschen verursachten Emissionen von Treibhausgasen, da sie den Energiehaushalt der Atmosphäre durch die Absorption von Infrarot-Strahlung beeinflussen. Die wesentlichen Verursacher sind die Sektoren Industrie, Verkehr, Energieaufbringung, Raumwärme sowie Landwirtschaft – der Verkehr ist einer der größten Problembereiche beim Klimaschutz. In keinem anderen Sektor sind die klimaschädlichen CO2-Emissionen seit dem Jahr 1990 so stark gestiegen wie im Verkehr.

Wie Versicherungen dem technologischen Wandel und veränderten Kundenverhalten mit wirklich innovativen Produkten und neuen Kompetenzen begegnen können, beschrieb Mag. Andreas Kößl, Vorstandsmitglied der Uniqa, in seinem Referat „Geänderte Kundenerwartungen erfordern neue Formen von Mobilität und neue Versicherungslösungen“. Die automobile Welt verändere sich in vielen Dimensionen, so auch bezüglich Finanz- und Versicherungsdienstleistungen. Neue Kundenbedürfnisse mit massivem Einfluss auf bestehende Geschäftsmodelle entstünden. Wertschöpfungsstufen würden neu definiert und arbeitsteilig optimiert, neue Wettbewerber betreten den Markt. Vernetzte Fahrzeuge eröffneten ein komplett neues Marktumfeld und Carsharing-Nutzer beispielsweise zeugten von einem sich nachhaltig verändernden Mobilitätsverhalten. Aus all diesen sich ändernden Rahmenbedingungen ergäben sich zusätzliche Herausforderungen. Das Auto werde zweifelsohne auch noch in absehbarer Zukunft das Bedürfnis nach individueller Mobilität befriedigen. Die Wertschöpfungsmodelle der Automobil- und Versicherungsindustrie hingegen werde sich fundamental ändern.

Mit der heiß diskutierten Fragestellung „Quo Vadis After-Sales?“ widmete sich Hansjörg Mayr, Vorstand in der Wolfgang Denzel Auto AG einer wichtigen Zukunftsfrage im Automobilbereich. Die digitale Transformation werde das After-Sales-Geschäft der Automobilbranche nachhaltig und gravierend verändern. Die neuen Technologien übten enormen Druck auf die Kosten- und folglich die Prozesseffizienz des After-Sales aus. Wer sich im Wettbewerb der Zukunft behaupten wolle, müsse daher jetzt handeln. Denn Elektromobilität und autonomes Fahren werden die After-Sales-Umsätze schrumpfen lassen.

Thomas Tietje von A.T.U setzte sich in seinem Vortrag mit „Future Mobility and Connected Fleets“ auseinander und zeigte interessante Lösungsansätze auf. Moderne Fahrzeuge erheben und speichern Informationen und sind ständig auf Sendung: Ort, Fahrzustand, technische Ist-Werte und noch einiges mehr. Wer sich diese Daten zunutze machen könne, setze Fahrzeuge effizienter ein und erkenne Probleme früher. Fuhrparkmanager könnten und sollten diese Daten nutzen, um das Flottenmanagement zu optimieren.

Dass der Fuhrpark jedes Unternehmens ein wesentlicher Kostenfaktor ist und daher von hoher wirtschaftlicher Bedeutung, zeigten Paul Janacek von der österreichischen Post  und Alexander Wagner von Carpanion in ihrem Beitrag „Connected Fleet – Fuhrpark-Cockpit bei der Österreichischen Post AG“ auf. Die Post denkt die Mobilität bereits mit einem ganzheitlichen Ansatz neu und definiert zukunftsorientierte Strategien. Der präsentierte strategische Lösungsansatz zeigte eindrucksvoll auf, wie intensiv sich die österreichische Post mit der Hebung des ökologischen und des ökonomischen Chancenpotential ihrer Fahrzeugflotte beschäftigt.

Im letzten Beitrag „Connected Mobility – Nur ein Trend oder State-of-the-Art der zukünftigen Mobilität?“ gab Dipl.-Ing. Wolfgang Kurz vom Automobil Cluster OÖ einen spannenden Ausblick auf die Zukunft der Mobilität. Die Welt der Mobilität ändere sich nicht zuletzt durch die Digitalisierung. Tatsache sei, dass sich Hersteller intensiv mit vier Begriffen auseinandersetzen (Connectivity, Autonomous, Sharing & Services, Electric) müssten. Wie schnell diese Realität eintritt, da sind sich die Techniker jedoch uneinig. Abschließend stellte er die Frage in den Raum, sollen wir in Zukunft den Spaß am Fahren den Elektronikteilen unseres Fahrzeuges überlassen oder nützen wir die Technik, um uns ein Fortbewegen so angenehm wie möglich zu gestalten?

www.vernetzte-mobilitaet.eu

www.carsulting.eu

www.viennaautoshow.at

Ähnliche Artikel

Hinterlassen Sie einen Kommentar

* Zur Speicherung Ihres Namens und Ihrer E-Mailadresse klicken Sie bitte oben. Durch Absenden Ihres Kommentars stimmen Sie der möglichen Veröffentlichung zu.

789