Energiewende-Index: Zentrale Ziele verfehlt

Deutschland: Aktuell nur fünf von 14 Zielindikatoren auf Kurs

von David Lodahl

Aktualisierter Energiewende-Index von McKinsey: Zentrale Ziele werden verfehlt – Zielmarken für wichtige neue Aufgaben fehlen – Kosten steigen weiter – Energieeffizienz wird bestimmendes Thema
Aufmacherfoto: Pixabay

Die Energiewende wird nach aktuellem Stand nicht zu der angestrebten 40 %-Reduktion der CO2-Emissionen bis 2020 führen. Deshalb kommt den Themen Energieeffizienz und Ausbau der erneuerbaren Energien eine Schlüsselrolle zu. Um die Netzstabilität auch künftig zu gewährleisten und zugleich Kosten zu senken, sind neue dezentrale Steuerungsmechanismen erforderlich. Dies sind wesentliche Erkenntnisse aus dem neuen Stand des Energiewende-Index, den die Unternehmensberatung McKinsey & Company seit 2012 halbjährlich veröffentlicht.
Für die aktuelle Auflage hat McKinsey den Index methodisch angepasst und um wichtige Indikatoren ergänzt. Hauptzweck der Anpassungen ist es, den Index mit Blick auf die gegenwärtigen Trends noch aussagekräftiger zu machen und so den Fortschritt der Energiewende über die kommende Legislaturperiode hinweg besser verfolgen zu können.
Konkret wurden drei Kennzahlen ersetzt, deren Ziele bereits erfüllt sind oder für die es mittlerweile passendere Messgrößen gibt: Die Indikatoren Ausbau Offshore-Wind und Solar/Photovoltaik (PV) werden durch das gemeinsame Ziel „Stromerzeugung aus Erneuerbaren“ ersetzt. Mit der neuen Kennzahl lässt sich die tatsächliche wetterbedingte Stromeinspeisung aus erneuerbaren Energiequellen abbilden, statt wie zuvor nur die theoretisch verfügbare Kapazität. Anstelle der bisherigen Kennzahl zur Anbindung von Offshore-Windparks, deren Zielmarke seit 2015 erreicht ist, tritt ein neuer Indikator, der die Integration Deutschlands in das europäische Stromnetz abbildet – die so genannte Interkonnektorkapazität. Sie gibt die Kapazität der Hochspannungsleitungen zwischen Deutschland und den Nachbarstaaten an und vergleicht sie mit der installierten Erzeugungsleistung. Außerdem wurde das Thema „Sektorkopplung“ – d.h. der Einsatz von Strom aus Erneuerbaren in anderen Sektoren wie Verkehr oder Wärmeerzeugung – als qualitativer Indikator eingeführt.
Nur fünf der nunmehr 14 Kennzahlen im aktualisierten Energiewende-Index werden in ihrer Zielerreichung als „realistisch“ eingestuft, für acht ist die Zielerreichung „unrealistisch“. Eine Kennzahl fällt in die Kategorie „leichter Anpassungsbedarf“.
1. Indikatoren mit realistischem Tempo in der Zielerreichung

  • Stromerzeugung aus Erneuerbaren: Der Zielwert für diesen Indikator folgt den Vorgaben der Bundesregierung von 2010 und liegt demnach für das Jahr 2020 bei 35 %. Da dieser Anteil aktuell bereits erzielt ist, kommt der Indikator gegenüber dem Startpunkt im Jahr 2010 auf einen Zielerreichungswert von 143 %.
  • Arbeitsplätze in stromintensiven Industrien: Nach vorübergehendem Rückgang ist die Zahl der Arbeitsplätze zwischen März und Dezember 2016 wieder um rund 9.000 Stellen gestiegen. Die Zielerreichung verbessert sich von 116 % auf 119 % und übertrifft damit den ursprünglichen Zielwert von 1,27 Mio. Beschäftigten – gemessen am Ausgangsjahr 2008 – weiterhin deutlich.
  • Arbeitsplätze in erneuerbaren Energien: Mit einem Erfüllungsgrad von 102 % Prozent (330.000 Mitarbeiter) liegt der Indikator noch knapp im Zielkorridor.
  • Gesicherte Reservemarge: Die Zielerreichung für Kapazitätsreserven in deutschen Kraftwerken steigt weiter von 292 % auf jetzt 323 %. Nach der bereits 2016 angepassten Kalkulation liegt die gesicherte Reservemarge damit nun bei 4,2 %.
  • Ausfall Stromversorgung: Die Zahl der Stromausfälle lag bei der letzten Erhebung in ihrer Zielerreichung 112 % über Plan und verbleibt damit in der Kategorie „realistisch“.

2. Indikatoren mit unsicherer Zielerreichung

  • Haushaltsstrompreise: Die hiesigen Strompreise sind erneut um rund 1,4 % auf 30,8 ct/kWh angestiegen –
  • Strom in den übrigen europäischen Ländern kostet im Schnitt 20,5 ct/kWh. Der Indikator sinkt damit in seiner Zielerreichung von 15 % auf nunmehr 3,6 %. Der Preisabstand zum europäischen Durchschnitt hat sich damit seit Beginn der Index-Erhebung nahezu verdoppelt.
  • Industriestrompreise: Die Stromkostenentwicklung für deutsche Industriekunden war zuletzt positiv. Mit 5,5 % fiel der Preisrückgang sehr viel deutlicher aus als im Rest Europas, wo die Preise nur um 2,4 % sanken. Das aktuelle Preisniveau von 9,65 ct/kWh liegt allerdings immer noch 13,4 % über dem europäischen Durchschnitt. Der Indikator verbessert seine Zielerreichung von -2 % auf 42 %, verbleibt aber mit Blick auf 2020 weiter in der Kategorie „unrealistisch“.
  • Kosten für Netzeingriffe: Neben den Kosten für Redispatch-Maßnahmen schließt dieser Indikator von nun an auch das Einspeisemanagement und die Vorhaltung von Reservekraftwerken mit ein. Mit Netzeingriffskosten von insgesamt 7,34 EUR/MWh – was seit 2014 bereits einer Verdoppelung entspricht – ergibt sich für das Jahr 2016 nun eine Zielerreichung von 55 %.
  • Ausbau der Transportnetze: Zusätzlich zu den Ausbauplänen nach dem EnLAG berücksichtigt der Indikator nun auch die Vorhaben nach dem Bundesbedarfsplangesetz (BBPlG). Er misst jetzt die Gesamtzahl der fertiggestellten Kilometer auf Basis beider Pläne und setzt sie in Relation zu einem Gesamtzielpfad. Für das Jahr 2020 liegt der Zielwert bei 3.582 km. Aktuell sind 816 km gebaut, damit ergibt sich eine Zielerreichung von 49 % und der Indikator fällt in die Kategorie „unrealistisch“.
  • Für vier weitere Indikatoren lagen zum Zeitpunkt der aktuellen Indizierung noch keine neuen Daten vor. Dadurch verbleiben weiterhin „unrealistisch“ in ihrer Zielerreichung die EEG-Umlage (3 %), der CO2e-Ausstoß (zuletzt 44 %), der Primärenergieverbrauch (46 %) und der Stromverbrauch (54 %).

3. Neuer Indikator mit leichtem Anpassungsbedarf

  • Interkonnektorkapazität: Der neu eingeführte Indikator misst Deutschlands grenzüberschreitende Stromübertragungskapazität, die aktuell bei ca. 7 % der installierten Erzeugungsleistung liegt. 2014 lag der Indikatormit 10 % noch genau im Zielkorridor. Doch durch den Zubau erneuerbarer Erzeugung und teils geringerer Verfügbarkeit von Interkonnektoren ist die Kapazität länderübergreifender Netze mittlerweile rückläufig und fällt mit einer Zielerreichung von 70% in die Kategorie mit „leichtem Anpassungsbedarf“.

4. Status bei Indikator ohne Zielsetzung

  • Sektorkopplung stagniert: Obwohl die Transformation des Verkehrs- und Wärmesektors eine zunehmend prominente Rolle in der politischen Diskussion einnimmt, bleiben die Fortschritte in diesem Bereich überschaubar. Der Anteil der Elektroautos an den Neuzulassungen in Deutschland lag 2016 immer noch unterhalb von 1 %. Auch bei der Wärmewende erreicht Deutschland die gesteckten Teilziele nicht: Während bei Neubauten durch die gesetzlichen Vorgaben sichtbare Fortschritte zu verzeichnen sind, kommt die Sanierung im Bestandsbau nur schleppend voran. Selbst die bereits relativ niedrig angesetzte Sanierungsquote von 2 % gilt als noch nicht erreicht.

Weitere Informationen sind unter www.mckinsey.de zu finden!
Quelle: Pressetext.de

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