Vor vier Jahrzehnten hat Audi mit dem permanenten Allradantrieb Quattro einen Paradigmenwechsel bei der Antriebstechnik eingeleitet. Dieses seit 1980 gesammelte Wissen nutzt die Marke nun in der Elektromobilität. Mit dem elektrischen Quattro in den Modellen der e-Tron-Baureihe sollen Fahrspaß und Effizienz zu einem Gesamtpaket verschmelzen.
Audi verbindet Quattro und e-Tron zu einer schlagkräftigen Kombination aus hoher Performance und ausgeprägter Sparsamkeit. Das Unternehmen fertigt einen Allradantrieb in Großserie, der ausgesprochen variabel, dynamisch und präzise ist und dabei effizient mit der verfügbaren Energie umgeht.
Warum setzt Audi auf den elektrischen Allradantrieb?
„Der elektrische Quattro ist für uns die perfekte Kombination aus starker Performance und hoher Effizienz“, sagt Michael Wein, Projektleiter Allradregelsysteme. „Wir verbinden die Effizienzvorteile von einer angetriebenen Achse mit der Traktion und der Dynamik eines Allradantriebs.“
Bei der aktuellen e-Tron-Baureihe treiben bei guten Traktionsbedingungen nur die Hinterräder das Auto an. Der Motor für den Vorderradantrieb läuft stromlos mit. Da es sich um einen Asynchron-Motor handelt, entstehen keine prinzipbedingten elektrischen Schleppverluste. Entsprechend wenig Energie benötigt dieses Antriebslayout. Erst wenn es erforderlich ist, schaltet sich die vordere Achse für den Fahrer unmerklich binnen Millisekunden hinzu – etwa, wenn hohe Fahrdynamik gefordert ist, viel Moment übertragen werden soll oder der Reibwert wegen Nässe, Schmutz oder Schnee niedrig ist.
Was unterscheidet den elektrischen Quattro-Antrieb von anderen Antriebsarten?
Audi ist der erste Hersteller, der im e-Tron S durch die Antriebstopologie mit einem Motor an der Vorderachse und zwei in einem Gehäuse untergebrachten E-Maschinen an der Hinterachse eine sehr variable Momentenverteilung ermöglicht. In Verbindung mit einer anspruchsvollen Steuerung und Regelung löst der elektrische Quattro durch seinen Einachsbetrieb mit variabler, unmerklicher Zuschaltung der Vorderachse den Zielkonflikt aus Dynamik und Effizienz.
Dabei integriert Audi Funktionen wie das elektrische Torque Vectoring an der Hinterachse, die radselektive Momentensteuerung durch Bremseneingriff beim mechanischen Differenzial sowie eine hohe Rekuperationsleistung in einem elektrischen Antriebsstrang. Zusätzlich kann der Fahrer die hohe Variabilität des Systems durch individuelle Programmauswahlen an seine Wünsche anpassen.
Wann aktivieren die e-Tron-Modelle ihren elektrischen Allradantrieb?
Aktiv ist der elektrische Allradantrieb bei nachlassender Haftung auf Fahrbahnen mit niedrigem Reibwert, bei besonders dynamischer Fahrt, wenn der Fahrer eine hohe Antriebsleistung fordert oder wenn maximale Rekuperation gefragt ist – also Energierückgewinnung beim Bremsen und im Schubbetrieb. Verzögert der Fahrer sein Auto bis zu einem Wert von 0,3 g, arbeiten die E-Maschinen als Generatoren, nutzen dabei die Bewegungsenergie des Autos und wandeln sie in elektrische Energie, die wiederum die Batterie auflädt. Das gilt für mehr als 90 Prozent aller Bremsmanöver im Alltag. Erst bei stärkerem Pedaldruck schaltet das System übergangslos zusätzlich die hydraulischen Radbremsen dazu. Bei einer Bremsung aus 100 km/h kann der e-Tron S beispielsweise mit bis zu 270 kW Leistung Bewegungsenergie zurückgewinnen. In der Rennserie Formel E sind es dazu 250 kW. Fordert der Fahrer beim Beschleunigen volle Leistung, stehen bei den S-Modellen des e-Tron insgesamt 370 kW Boostleistung und 973 Nm Drehmoment bereit. Ob Antrieb oder Rekuperation: Stets entscheiden vernetzte Steuergeräte über die situativ beste Momentenverteilung.
Welche Möglichkeiten eröffnet der elektrische Quattro gegenüber einem konventionellen Allradantrieb?
Bei den Audi e-Tron-Modellen treibt jeweils ein Elektromotor die Vorder- und die Hinterachse an. Im Unterschied dazu besitzen die e-Tron S-Varianten einen Motor an der Vorderachse und zwei an der Hinterachse. Der e-Tron S sorgt mit einem elektrischen Torque Vectoring – also einem gezielten Antriebsmomentaufbau links und rechts – an der Hinterachse für einen noch agileren Quattro-Antrieb. Der große Vorteil: Ohne eine mechanische Verbindung zwischen beiden E-Maschinen an der Hinterachse sind damit die Funktionen einer geregelten Quersperre und eines Sportdifferenzials innerhalb eines Systems rein durch Ansteuerung über Software dargestellt.
Audi hat also dank intelligenter Antriebsregelung eine aktive und vollvariable Momentenverteilung in Querrichtung an der Hinterachse realisiert.
Wie hat Audi diese Variabilität im elektrischen Antrieb erreicht?
Audi kombiniert eine in der Großserie neuartige elektrische Antriebsarchitektur mit einer anspruchsvollen Steuerung und Regelung, bei der alle wichtigen Softwarekomponenten und ihre Vernetzung selbst entwickelt sind.
Im Vergleich zu einem mechanischen Allradantrieb entsteht so ein reaktionsschnell agierender Antrieb. Gerade einmal 30 Millisekunden beträgt beispielsweise die Latenzzeit beim elektrischen Torque Vectoring – also der zeitliche Abstand von der Sensormessung bis zur aktiven Drehmomentverteilung. Das ist nur rund ein Viertel der Reaktionszeit eines mechanischen Systems. Zudem stellen elektrische Antriebe deutlich höhere Momente. Dem kurvenäußeren Rad lassen sich bis zu 220 Nm mehr Moment zuteilen, was übersetzungsbedingt bis zu 2.100 Nm am Rad entspricht. So erzeugt der Antrieb das gewünschte Giermoment bei Kurvenfahrt: Das Auto dreht sich entsprechend um die Hochachse in Kurvenrichtung ein und fühlt sich so besonders agil an.
Auch die Traktion bei niedrigem Reibwert auf Schnee oder Eis lässt sich sehr präzise optimieren: Der jeweilige Reibwert der angetriebenen Räder wird ermittelt und durch die Momentenzuteilung ideal genutzt – das verbessert auch die Gesamttraktion.
Wie gelingt diese präzise Steuerung?
Voraussetzung für diese Softwarefunktionen ist eine intelligente Vernetzung. Das Antriebssteuergerät (ASG) verteilt die Momente zwischen den E-Maschinen. Entscheidend ist dabei der bestmögliche Wirkungsgrad, um die Effizienz zu optimieren. Das integrierende Steuergerät der Elektronischen Fahrwerkplattform (EFP) überwacht mit Sensorsignalen den Fahrzustand des Autos und errechnet die ideale Verteilung der Längs- und Quermomente. Sie integriert dabei die Fahrdynamikregelung des Quattro, also den Allradregler, das elektrische Torque Vectoring wie auch die radselektive Momentensteuerung über den Bremseneingriff an der Vorderachse.
Am dynamischen Limit verzögert die Radbremse leicht das kurveninnere Rad beim e-Tron S an der Vorderachse, beim e-Tron an Vorder- und Hinterachse. So wird über die Wirkung des mechanischen Achsdifferenzials mehr Moment auf die Außenseite verteilt, das Auto folgt dem Lenkbefehl besonders agil in Kurvenrichtung. Die Antriebsschlupfregelung (ASR) agiert im Ein-Millisekunden-Takt. Dies gelingt, weil einzelne Funktionsbausteine aus der Elektronischen Stabilisierungskontrolle (ESC) in die Leistungselektroniken direkt an den E-Maschinen verlagert sind. Das Antriebssteuergerät koordiniert dabei die Schlupfregelung und den Allradregler.
Die Ingenieure haben dabei ein agiles Fahrverhalten bei einer sportlichen Grundauslegung priorisiert.
Kann der Fahrer die Charakteristik des elektrischen Quattro beeinflussen?
Gleich über zwei Regler kann der Fahrer den elektrischen Quattro seinen Wünschen anpassen. Das bei den e-Tron-Modellen serienmäßige System Audi drive select bietet die sieben Profile comfort, auto, dynamic, efficiency, individual, allroad und offroad. So lassen sich unter anderem der elektrische Allradantrieb, aber auch das Fahrwerk und weitere Systeme dem Straßenzustand und den persönlichen Vorlieben anpassen.
Die Elektronische Stabilisierungskontrolle ESC wiederum enthält die vier Programme Normal, Sport, Offroad und Off. Abseits befestigter Straßen optimiert sie unter anderem die Stabilitäts-, Traktions- und Bremsregelung und schaltet den serienmäßigen Bergabfahrassistenten zu. Zudem kann der Fahrer bei der Schubrekuperation zwischen drei Stufen wählen. In der Stufe 0 segelt das Auto, in der Stufe 1 verzögert das Auto leicht. In Stufe 2, die bis 0,13 g Verzögerung reicht und die meiste Energie zurückgewinnt, erlebt er ein ausgeprägtes One-Pedal-Feeling. Im manuellen Modus behält das Auto die jeweils gewählte Rekuperationsstufe bei.