Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht geheim gehaltenes Regierungsgutachten:

Nachrüstung der Euro-5-Diesel möglich und finanzierbar

von Daniel Schöppl

Seit rund vier Monaten hält die Bundesregierung Deutschlands ein bereits im Januar 2018 abgeschlossenes Gutachten zur Machbarkeit einer technischen Nachrüstung von Diesel-Pkw zurück, wie die Deutsche Umwelthilfe berichtet. Durch die Aufnahme dieses Gutachtens in den Koalitionsvertrag und ausdrückliche Erwähnung durch Bundeskanzlerin Angela Merkel auf ihrem letzten Autogipfel im Kanzleramt, wird dessen besondere Bedeutung sichtbar. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) veröffentlichte das ihr zugespielte Gutachten ungekürzt. Für Millionen betrogene Käufer von Euro 5+6 Diesel-Pkw mit Abschalteinrichtungen enthält es entscheidende Argumente zur Durchsetzung ihrer Ansprüche auf Schadenersatz beziehungsweise eine wirksame technische Nachrüstung durch den Hersteller, so die DUH.

Immer wieder wurde die Entscheidung über Art und Umfang einer technischen Nachrüstung der Betrugs-Diesel-Pkw unter Hinweis auf das „noch nicht vorliegende Gutachten“ verschoben. Ursprünglich kündigte Angela Merkel dieses bereits für Ende 2017 an. Tatsächlich fertiggestellt und abgeliefert wurde es laut Deutscher Umwelthilfe bereits am 8. Januar 2018 an das Bundesverkehrsministerium durch den von diesem beauftragten Prof. Dr.-Ing. Georg Wachtmeister. Doch weder die Mitglieder der Expertengruppe 1 des Bundesverkehrsministeriums noch vom Dieselskandal betroffene Fahrzeughalter bekamen bisher Zugang zu diesem Gutachten. Nur die Autokonzerne kannten es interessanterweise und kritisierten es massiv, wie die Deutsche Umwelthilfe aufdeckte. Alle Versuche der DUH, auf offiziellem Weg diese Studie als Mitglied der seit fünf Monaten nicht mehr tagenden Expertengruppe 1 zu erhalten, blieben erfolglos.

„Es ist ein beispielloser Vorgang, nicht nur tausenden vor deutschen Gerichten klagenden Haltern von Betrugsdiesel-Pkw ein mit Steuergeldern bezahltes Gutachten vorzuenthalten und sie damit in der Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche zu behindern. Auch Millionen Menschen in unseren Städten werden buchstäblich im Dieseldunst allein gelassen. Meinungsumfragen zeigen, dass die überwiegende Mehrheit der Bevölkerung, die von Diesel-Fahrverboten betroffenen Städte und selbst der ADAC, die seit 30 Monaten von der DUH geforderte technische Nachrüstung aller Diesel-Pkw der Abgasstufen Euro 5 + 6 durch die Fahrzeughersteller unterstützen“, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH.

Das bisher geheim gehaltene Wachtmeister-Gutachten bestätigt laut DUH die Machbarkeit einer technischen Nachrüstung der Betrugsdiesel-Pkw. Georg Wachtmeister widerspricht den Autokonzernen deutlich in seinem Gutachten. Die Hersteller hatten diese als grundsätzlich „technisch nicht machbar“ abgelehnt. Daraufhin hatte die DUH im Sommer 2016 die tatsächliche Möglichkeit und Wirksamkeit einer Nachrüstung bei einem Betrugs-VW Passat präsentiert und durch Messungen ihres Emissions-Kontroll-Instituts (EKI) gezeigt, wie ein solches Fahrzeug von 1.000 mg NOx/km auf 80 mg NOx/km und damit auf Einhaltung des Euro 6-Grenzwerts nachgerüstet werden kann. Daraufhin räumten BMW, Daimler und VW die technische Machbarkeit ein, behaupteten nun aber, diese sei übermäßig teuer und die Entwicklung solcher Systeme dauere viele Jahre, weil sie noch nicht vorhanden sei. Auch dieser Aussage widersprach die DUH und kalkulierte die Kosten auf durchschnittlich 1.500 Euro pro Fahrzeug.

„Für die Dieselkonzerne ist das Wachtmeister-Gutachten ein Debakel, da ihre gesamte Argumentationskette nun wie ein Kartenhaus einstürzt. Die Ergebnisse der Studie sind eine »schallende Ohrfeige« für Andreas Scheuer, den Vertreter der Dieselkonzerne im Bundeskabinett. Er vertritt aktuell die Argumentation von BMW, Daimler und VW, dass eine technische Nachrüstung unverhältnismäßig teuer und insgesamt nicht nötig sei. Ein zum gegenteiligen Ergebnis kommendes Gutachten wird in bewährter Weise nicht veröffentlicht, zumal es dem Dieselminister Scheuer mit sehr klaren und unmissverständlichen Festlegungen widerspricht“, so Resch weiter.

Laut Deutscher Umwelthilfe sind die Kernaussagen des Wachtmeister-Gutachtens folgende:

  • Ein Großteil der für eine Hardware-Nachrüstung erforderlichen Komponenten sind bereits entwickelt, der hierfür erforderliche Bauraum vorhanden. Wörtlich heißt es in dem Gutachten: „Somit ist davon auszugehen, dass durch die Fahrzeughersteller das größte Potenzial einer schnellen und soliden Hardware-Nachrüstung gegeben ist.“
  • In seinem Gutachten zitiert Wachtmeister auch die konkreten Upgrade-Angebote für Euro 5 Diesel-Pkw der Marken Audi, BMW, Mercedes und VW mit Kosten zwischen 1.190 bis 1.990 Euro und folgert hieraus, dass dies ein „weiterer Beleg“ dafür sei, dass „für eine Hardware Nachrüstung zur NOx-Reduzierung bei den Fahrzeugherstellern entsprechende Abgasnachbehandlungssysteme vorhanden sein sollten.“
  • In seiner »Zusammenfassung und Schlussfolgerung« macht der Regierungsgutachter bemerkenswert klare Aussagen: „Die Evaluation möglicher Hardware-Nachrüstungen zur Reduktion der NOx-Emissionen zeigt, dass eine Nachrüstung durch die Fahrzeughersteller eindeutig die beste und sicherste Lösung darstellt. […] Nach heutigem Erkenntnisstand ist aus meiner Sicht eine Nachrüstung von EU5-Fahrzeugen mit verträglichem Aufwand möglich. […] Aus jetzigen Abschätzungen geht hervor, dass sich der Kostenrahmen für eine Hardware-Nachrüstung in einer realisierbaren Größenordnung bewegt.“

„Nachdem nun auch das Regierungsgutachten die Machbarkeit der technischen Nachrüstung bestätigt und die Hersteller als Verantwortliche identifiziert, muss sich die Bundesregierung endlich aus dem Würgegriff der Autobosse Zetsche, Krüger und Diess befreien. Es kann nicht sein, dass wir fortwährend über von uns erwirkte Gerichtsentscheidungen – wie zur Veröffentlichung der geheim gehaltenen Akte zum VW-Rückruf – Kanzlerin Merkel und Verkehrsminister Scheuer daran erinnern müssen, dass sie einen Eid auf das Wohl des Volkes und nicht auf die Profitmaximierung der Autokonzerne geschworen haben. Dies ist ein Weckruf für den Bundestag, seiner Kontrollaufgabe gegenüber einer fremdbestimmten Regierung nachzukommen. Die Besitzer von Diesel-Pkw mit Abschalteinrichtungen haben einen Rechtsanspruch, dass diese Fahrzeuge auf Kosten der Hersteller so nachgerüstet werden, dass sie von Fahrverboten befreit sind und die »saubere Luft« in unseren Städten Wirklichkeit wird“, so Resch.

Zur Studie: hier

Weitere Informationen: duh.de

 

 

Quelle: Presseportal

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