Innovationen im Transportwesen:

Auf dem Weg zu erhöhter Sicherheit in der Elektromobilität

von Nina Stark

Die Elektroinnovation scheint gekommen zu sein. Nach der International Energy Agency waren Ende 2020 weltweit schon mehr als 10 Millionen Elektrofahrzeuge (EVs) auf der Straße – ein Zuwachs von 43 % gegenüber 2019. Schätzungen zufolge wird die Gesamtzahl der elektrisch betriebenen Personenkraftwagen, Busse, Liefer- und Nutzfahrzeuge bis Ende dieses Jahrzehnts auf 145 Millionen steigen. Selbst 230 Millionen wären erreichbar, wenn genügend Länder ihre Emissionsziele noch ehrgeiziger fassen. Fahrzeughersteller investieren Milliarden, um sich ihren Anteil in diesem Markt zu sichern. Eine der Herausforderungen, denen sie in der Massenfertigung elektrischer Fahrzeuge gegenüberstehen, ist deren Brandschutz – doch wahrscheinlich in anderer Hinsicht, als die meisten Menschen denken.

Im Gegensatz zu dem, was uns Actionfilme glauben machen, geraten Automobile nur selten in Brand. Wenn doch, haben die Insassen meist ausreichend Zeit, um sich in Sicherheit zu bringen. Aus diesem Grund sind die Brandschutzvorschriften für Kraftfahrzuge bisher weit weniger strikt als die für Flugzeuge, Schienenfahrzeuge oder selbst den größten Teil der in Privathaushalten genutzten Elektronik. Doch nun, mit zunehmenden EV-Zulassungen, sorgen Nachrichten über brennende EVs für neue Bedenken.

Sind Elektrofahrzeuge eine Gefahr?

Der US National Fire Protection Association (NFPA) zufolge sind elektrische Ausfälle inzwischen eine der häufigsten Ursachen für Brände herkömmlicher Automobile und für eine Viertel aller Fahrzeugbrände in den USA verantwortlich. Da EVs viel Energie in ihren Lithium Akkus speichern, erscheint es nur logisch, dass sie eine noch größere Brandgefahr darstellen. Dem widerspricht Sebastian Hörold, Head of Technical Service Thermoplastics & Market Manager Flame Retardants (Flammschutzmittel) bei Clariant: „Die Brandgefahr von Elektrofahrzeugen ist nicht höher, sondern eine andere als die bei traditionellen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren.“

Nicht weniger, aber andere Risiken

Elektrische Antriebe arbeiten bei weit höheren Spannungen und Stromstärken. Die meisten herkömmlichen Fahrzeuge haben eine 12-Volt-Batterie für den Anlasser, die Beleuchtung und die gesamte Bordelektronik. Selbst sogenannte Mildhybrid-Fahrzeuge, in denen ein starker Elektromotor den Verbrennungsantrieb unterstützt, sind lediglich mit einem 48-Volt-System ausgerüstet. Im Gegensatz dazu erfolgen die Schnellladezyklen einiger vollelektrischer Fahrzeuge mit 800 Volt oder noch höheren Spannungen.

Hinzu kommen Unterschiede in der täglichen Fahrzeugnutzung. Stellt man einen Diesel ab, dann ist er auch komplett abgeschaltet. Beim Parken eines EV wird dieses jedoch gewöhnlich geladen. „Einige der höchsten Spannungen und Ströme fließen exakt dann, wenn das Fahrzeug unbeaufsichtigt ist“, betont Hörold. „Dies kann über Nacht in der häuslichen Garage geschehen oder tagsüber auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz, etwa im Untergeschoß eines Einkaufszentrums oder eines Bürogebäudes. Es ist diese Kombination von Hochenergiebatterien, hohen Spannungen und Strömen während des unbeaufsichtigten Ladens, die bei den Sicherheitsstandards berücksichtigt werden muss.“

Hohe Spannungen, wenig Platz

„Bis vor Kurzem war die Automobilindustrie kein großer Markt für unsere hochleistungsfähigen Flammschutzmittel. Doch das wird sich bald erheblich ändern“, sagt Elmar Schmitt, Segment Manager für das Flammschutzmittelgeschäft von Clariant. „Zur Neuerfindung ihres Produkts brauchen die Autohersteller innovative Materialien mit integrierter Sicherheit, um ein ganzes Bündel neuer Heraus- und Anforderungen zu bewältigen.“

Da sind zunächst einmal die hohen Spannungen. Diese können Kurzschlüsse und Funkenschlag verursachen, mit nachfolgender Entzündung entflammbarer Materialien. Einer der Wege, um damit verbundene Ausfälle zu vermeiden, ist mittels Designs: einfach spannungführende Teile weiter auseinander platzieren. Eine andere Strategie ist die Kapselung von Bauteilen. Beide Herangehensweisen sind im Fahrzeugbau jedoch nicht immer praktikabel. Denn einerseits werden die Fahrzeuge mit immer mehr Elektronik bestückt. Die verfügbaren Einbauräume sind knapp. Komponenten müssen eng beieinander liegen. Andererseits treibt der zusätzliche Material- und Montageaufwand zur Kapselung von Bauteilen die Kosten in die Höhe und führt zu Mehrgewicht. „Die Fahrzeughersteller reagieren an beiden dieser Fronten traditionell sehr empfindlich“, ergänzt Schmitt. „Selbst geringe Mehrkosten addieren sich schnell, genauso wie überschüssiges Gewicht. Jedes einsparbare Gramm hilft, die Reichweite von Elektroautos zu erhöhen, die aktuell zu den wichtigsten Verkaufsargumenten zählt.“

Widerstandsfähig und leicht

Hochspannungsstecker, Steckverbinder, Sammelschienen (bus bars) und andere Elektrobauteile erfordern Hochleistungspolymere mit modernen Flammschutzmitteln – wie Exolit von Clariant. Dieses ist schon seit zwei Jahrzehnten in einigen der anspruchsvollsten Branchen im Einsatz, von intelligenter Verbraucherelektronik über Haushaltsgeräte bis hin zu Industrieanwendungen. Gestützt auf organische Phosphorverbindungen kann es den Brand von Kunststoffen innerhalb von Sekunden stoppen und die weitere Ausbreitung der Flammen unterbinden. Es trägt außerdem dazu bei, das Risiko von Kriechströmen und Funkenschlag zu minimieren. „Exolit ist nicht-halogeniert und damit sicherer und umweltverträglicher als die meisten Wettbewerbsprodukte im Markt“, so Schmitt weiter. „Was es aber besonders attraktiv für die EV-Industrie macht, ist die Kombination seiner Eigenschaften.“

Die Zugabe von Exolit hat keine negativen Auswirkungen auf die elektrischen Eigenschaften der Kunststoffe bzw. kann diese in einigen Fällen sogar verbessern – gemessen beispielsweise am Kriechstromindex (CTI). „Mit Exolit versetzen wir Hersteller in die Lage, die CTI-Leistungsklasse (PLC) 0 zu erreichen, was für 600 Volt steht“, erläutert Hörold. „So können spannungführende Teile enger zueinander positioniert werden. Das kommt der weiteren Miniaturisierung und dem Leichtbau entgegen.“ Auch der Beitrag von Exolit selbst zum Gewicht ist bemerkenswert gering.

Für raue Einsatzbedingungen

Hinzu kommt die Frage der Haltbarkeit. Standardfahrzeuge haben eine Lebenserwartung von über 300.000 Kilometern. Mit weniger beweglichen Teilen könnten EVs dies sogar übertreffen. Das hängt allerdings sehr davon ab, wie gut Steckverbinder und Stecker, Kabel, Halterungen etc. den permanenten Belastungen durch Schwingungen, extreme Temperaturen, UV-Einstrahlung, korrosive Flüssigkeiten, Staub und Feuchtigkeit standhalten. Hohe Spannungen und Feuchtigkeit können diese Belastungen durch Hydrolyse noch verschärfen. „Hydrolyse kann im Lauf der Zeit zu Materialabbau im Polymer führen und Korrosion an Stiften und in den Steckverbindern bewirken“, führt Hörold aus. „Exolit ist hydrolysestabil und eignet sich auch für den Einsatz in dediziert hydrolysebeständigen Formulierungen.“

Das vielleicht wichtigste Argument für Fahrzeughersteller ist die geringe Auswirkung der Flammschutzmittel von Clariant auf andere Polymereigenschaften. „Die Automobilindustrie hat Kostenoptimierung, Fertigungsgeschwindigkeit, Haltbarkeit und mehr zur Ingenieurkunst erhoben“, sagt Schmitt. „Die Hersteller erwarten, dass die von ihnen bevorzugten Polymere genau so funktionieren, wie sie es gewohnt sind.“ Die meisten Flammschutzmittel machen Kunststoffe jedoch spröder, schlechter verarbeitbar und insgesamt weniger haltbar. Einige erschweren spezifische Fertigungsprozesse oder verhindern sie auch. „Mit Exolit können wir diese Sorgen ausräumen,“ unterstreicht Hörold. „So sind die Verarbeiter sehr zufrieden damit, wie sich Exolit beim Laserschweißen und Laserkennzeichnen verhält. Plus, es hat einen denkbar geringen Einfluss auf die physikalischen Eigenschaften der Kunststoffe.“

Innovationstreiber

Bei EVs ist die Farbe Orange ein Sicherheitsmerkmal. Sie signalisiert Hochspannungsteile

und -kabel. Die richtige Einfärbung des Kunststoffs mit dieser spezifischen Standardfarbe und deren Stabilität während der gesamten Fahrzeuglebensdauer sind elementar. Einige Flammschutzmittel machen eine derart zuverlässige Farbgebung der Teile unmöglich. Exolit eignet sich für jede Farbe. Andere Flammschutzmittel können im Lauf der Zeit auch wärmebedingte Verfärbungen verursachen. „Unsere Lösung wirkt sich auf die Polymerfarbe weniger aus als jedes andere Produkt“, so Hörold.

Es ist klar, dass hochleistungsfähige Flammschutzmittel in EVs unverzichtbar sind. „Die Industriestandards und Vorschriften zum Brandschutz sind zwar noch nicht endgültig verabschiedet, doch wir wissen, dass Exolit eine Rolle spielen muss, die über den Brandschutz hinausreicht“, schließt Schmitt. Die Kombination von hohen Brandschutzstandards und hohem CTI mit guten mechanischen Eigenschaften und nachhaltiger Chemie werden helfen, Elektrofahrzeuge effizienter und sicherer zu gestalten. Dies wiederum wird das Vertrauen in EVs stärken und die Elektroinnovation weltweit vorantreiben. Es ist eines der vielen Instrumente, mit denen Clariant zum Aufbau einer nachhaltigen Infrastruktur beiträgt und jene unverzüglichen Klimaschutzmaßnahmen fördert, die wir brauchen, um die UN-Ziele für eine nachhaltige Entwicklung umzusetzen.

Weitere Informationen auf: www.clariant.com

Quelle: Clariant International Ltd

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