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Anlässlich der VDA-Jahrespressekonferenz in Berlin hat Matthias Wissmann, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie (VDA), ein Statement zur deutschen Automobilindustrie abgegeben. Dabei gehen vor allem Elektromobilität und Digitalisierung in die Offensive:
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Elektromobilität mit viel Dynamik
In den kommenden zwei bis drei Jahren verdreifacht sich das Angebot unserer Hersteller auf über 100 E-Modelle. Die jüngsten Ankündigungen auf der IAA haben den Fahrplan für die Jahre danach beschrieben: In den nächsten fünf bis acht Jahren werden die deutschen Hersteller mehr als 150 neue Modelle mit Elektroantrieb auf die Straße bringen. Noch vor Ende dieses Jahrzehnts wird der Elektroantrieb (PHEV, BEV) in allen Segmenten vertreten sein, von der Kompaktklasse bis zum SUV. Wir erleben dann Reichweiten von mehr als 500 Kilometern mit einer Batterieladung.
Bis 2020 investiert die deutsche Automobilindustrie über 40 Mrd. Euro in alternative Antriebe.
Rund ein Drittel aller weltweiten Patente im Bereich der Elektromobilität (34 Prozent) und des Hybridantriebs (32 Prozent) kommt aus Deutschland. Wir wissen: Nur wer bei Forschung und Entwicklung ganz vorn ist, bleibt auch beim Elektroauto an der Spitze.
Wir haben unsere Marktanteile bei der Elektromobilität deutlich gesteigert. In Europa (EU28+EFTA) sind es 53 Prozent, in Deutschland 64 Prozent, auf dem Leitmarkt Norwegen 58 Prozent.
Im bisherigen Jahresverlauf (Jan-Nov.) haben sich die Elektroneuzulassungen in Deutschland auf rund 48.300 Einheiten mehr als verdoppelt (+116 Prozent). Rein batterie-elektrische Modelle sind ebenso gefragt wie Plug-In-Hybride, bei beiden wuchs die Nachfrage um mehr als 100 Prozent. Der Elektroanteil an allen Pkw-Neuzulassungen übertraf im November mit 2,1 Prozent erstmals die 2-Prozent-Marke. Im bisherigen Jahresverlauf hat sich der Marktanteil mehr als verdoppelt (von 0,7 Prozent auf 1,5 Prozent). Die Anträge auf den Umweltbonus steigen stetig, unter den Top-5 sind vier Modelle deutscher Hersteller.
Auch bei der Ladeinfrastruktur geht es voran. Derzeit gibt es in Deutschland 10.700 öffentlich zugängliche Ladepunkte, davon sind 530 Schnellladepunkte. Im nächsten Jahr wird sich die Zahl der Normalladepunkte über das Förderprogramm der Bundesregierung auf gut 30.000 verdreifachen, die Zahl der Schnellladepunkte wird sich sogar verfünffachen. Hinzu kommt das ultraschnelle Hochleistungsladenetz mit 400 Standorten an Autobahnen in Europa, das BMW, Daimler und Volkswagen mit Audi und Porsche zusammen mit der Ford Motor Company im Rahmen eines Joint Ventures auf den Weg bringen.
E-Fuels leisten notwendigen Beitrag für Klimaschutz
Die deutsche Automobilindustrie arbeitet kontinuierlich daran, die CO₂-Emissionen ihrer Fahrzeuge weiter zu senken. Und zwar über alle Antriebsarten hinweg. Nur so kann eine Dekarbonisierungsstrategie für den Straßenverkehr erfolgreich sein. Im Jahr 2025 werden Elektroautos voraussichtlich einen Anteil von 15 bis 25 Prozent an den Pkw-Neuzulassungen haben. Das heißt umgekehrt: Ein Großteil der Fahrzeuge fährt weiterhin mit einem Verbrennungsmotor. Dies gilt umso mehr, wenn wir auf die internationalen Märkte schauen: In Lateinamerika, in weiten Teilen Asiens oder in Afrika wird es auch dann noch keine flächendeckende Ladeinfrastruktur geben.
Wir müssen also alle Antriebsarten nutzen, auch Wasserstoff und Erdgas.Wer die CO₂-Frage ernst nimmt, kommt an klimaneutralen Kraftstoffen, so genannten E-Fuels, nicht vorbei. Die Technologie für diese Kraftstoffe aus erneuerbaren Quellen ist vorhanden. Noch sind die Kosten vergleichsweise hoch, doch sie werden sinken.
Mit E-Fuels gibt es die Chance für klimaneutrale Verbrennungsmotoren. Und damit ein Instrument, um CO₂-Emissionen im gesamten Fahrzeugbestand massiv zu senken, nicht nur bei Neuzulassungen. Hinzu kommt: Wir machen uns unabhängiger von fossilen Energieträgern und können in großem Umfang Grünstrom „lagern“.
Technologieneutralität statt Technikverbote
Die CO₂-Bilanz eines modernen Diesel oder Benziners mit E-Fuels kann besser sein als die eines Elektroautos, das hauptsächlich mit Kohlestrom geladen wird.
Das zeigt: Der Weg in die klimaneutrale Mobilität braucht alternative und synthetische Kraftstoffe, Elektromobilität und Brennstoffzelle. Deswegen sollte die Politik Rahmenbedingungen und Ziele setzen, aber nicht den Weg dahin vorschreiben.
Quoten oder Technikverbote weisen den Weg in die wirtschaftliche, sozial- und klimapolitische Sackgasse. Wer Klimaschutz und Industriepolitik in der Balance halten will, muss dem Grundsatz der Technologieneutralität folgen.
Digitalisierung – Deutsche Automobilindustrie Patentweltmeister
Der zweite große Innovationstrend – neben der Elektromobilität – ist die Digitalisierung. Wir investieren dafür in den nächsten drei bis vier Jahren 16 bis 18 Mrd. Euro. Die deutsche Automobilindustrie ist bereits heute Patentweltmeister beim vernetzten und automatisierten Fahren: An den seit 2010 weltweit erteilten Patenten auf diesem Feld hält sie einen Anteil von 52 Prozent. Unter den Top-10 befinden sich sechs Unternehmen aus Deutschland – davon vier Hersteller und zwei Zulieferer auf den Plätzen 1 und 3.
Wir sprechen von der digitalen Transformation einer ganzen Branche durch das vernetzte und automatisierte Fahren. Die Vorteile: mehr Effizienz, mehr Komfort – vor allem aber mehr Sicherheit. Die Zahl der Unfälle wird massiv nach unten gehen.