Wiener Motorensymposium 2020:

„Der Wandel wird zur Konstante“

von Moritz Hell

Wien – „Die Elektrifizierung des Automobilantriebs ist der wichtigste technologische Wegbereiter für eine saubere, lokal emissionsfreie und hochgradig effiziente Mobilität“, erklärte Dipl.-Kfm. Andreas Wolf, CEO von Vitesco Technologies, die frühere Continental Powertrain Division, in seinem Eröffnungsvortrag beim diesjährigen Int. Wiener Motorensymposium. „Der Wandel wird zur Konstante.“ Dafür will die Autoindustrie weltweit laut Studien rund 300 Milliarden Dollar bis 2030 investieren.

Eine Herausforderung der Elektrifizierung liegt darin, „dass sie in verschiedenen Formen gleichzeitig benötigt wird“. Es gelte, die weltweiten Verbrauchs- und Schadstoffgrenzwerte zu erfüllen, aber auch den Kundenwünschen in den verschiedenen Segmenten, vom Kleinwagen bis zum Luxus-Sportwagen, mit attraktiven wie leistbaren Produkten zu entsprechen, meinte Wolf. Der Druck, zu immer effizienteren Gleichteil- und Plattformstrategien steige. Das liege einerseits am Kostendruck, anderseits sei bestmögliche Flexibilität auf das sich oft rasch ändernde und unvorhersehbare Kundenverhalten weltweit geboten.

Vom 48-Volt-Volkshybrid bis zum Elektro-Hochleistungs-SUV

Für den europäischen Markt bis 2025 sieht Wolf eine stark wachsende Nachfrage nach kostengünstigen 48-Volt-Hybrid-Fahrzeugen für den Massenmarkt („Volkshybrid“) sowie rein batterieelektrische Modelle. Der Markt für Voll- und Plug-in-Hybride werde hier eher moderat wachsen. Nach 2025 würden auch Brennstoffzellenantriebe für PKW kommen. Der Anteil von Verbrennungsmotoren ohne Elektrifizierung werde schrumpfen.

In den USA dürfte die Wachstumskurve für elektrifizierte Antriebe flach bleiben. Mit den meisten abgasfreien Fahrzeugen rechnet Wolf 2025 in China. Laut Gesetz müssen dort bis 2025 rund 25 Prozent aller Neufahrzeuge über einen batterieelektrischen, Plug-in-Hybrid- oder Brennstoffzellenantrieb verfügen. Daneben sieht Wolf auch für den 48-Volt-Hybridantrieb in China sehr gute Marktchancen.

Audi: Erste Doppel-Elektro-Antriebsachse in einem Großserienfahrzeug

Mit dem e-tron Top-Modell bringt Audi als erster Großserienhersteller ein batterieelektrisches Fahrzeug mit einem 3-Motor-Layout und aktivem elektrischen Torque Vectoring (e-TV) in Großserie. Es ist die konsequente Übertragung des quattro Sportdifferenzials auf den E-Antrieb. Der technische Höhepunkt ist die neue elektrische »Twinkoax-Hinterachse«. Es ist der erste Doppel-E-Antrieb in einem Großserienfahrzeug. Gebaut wird er wie die anderen E-Antriebe im ungarischen Audi-Motorenwerk in Györ. Die Spitzensystemleistung (60 Sekunden) des Modells beträgt 320 kW, zweimal je 102 kW an der Hinterachse und einmal 129 kW an der Vorderachse. Bei den Batterien werden zwei Varianten mit 71 bzw. 95 kWh angeboten.

VW: Erste Allradversion auf Basis des Elektrobaukastens

Mit der Serienversion der Studie ID.Cross setzt VW seine Elektrooffensive nach dem Start des ID.3 konsequent vor. Insgesamt sind 27 Modelle auf dem Modularen Elektrifizierungsbaukasten MEB bis Ende 2022 geplant. Der ID. Cross wird das erste Allradmodell sein, dafür erhält er neben dem Hauptantrieb an der Hinterachse mit 150 kW eine 75 kW E-Maschine an der Vorderachse. Zusätzlich zur Allradfunktion bietet der Vorderachsantrieb auch hervorragende Boostmöglichkeiten. Die Systemleistung gibt VW mit 225 kW an. Die Reichweite beträgt je nach Batteriegröße bis zu 550 km.

Verbesserte Batterien

Mehrere Symposiumsvorträge zeigten, dass europäische Hersteller und Zulieferer intensiv daran arbeiten, eigenes Know-how rund um Batterien für die Elektrifizierung aufzubauen. Mercedes will mehr als eine Milliarde Euro in eine eigene weltweite Batterieproduktion in neun Werken auf drei Kontinenten investieren. Das Wissen über den richtigen Aufbau der Batterie gilt als entscheidend für die Kundenakzeptanz von elektrifizierten Antrieben, aber auch für Kosteneffizienz und Sicherheit. Bis 2022 will Mercedes für jede Baureihe verschiedene elektrifizierte Versionen anbieten, von 48-Volt-Modellen über Diesel- bzw. Benzin-Plug-in-Hybride bis zu rein batterieelektrischen Versionen.

Von enormer Bedeutung für Lebensdauer, Reichweite und Ladedauer von Batterien ist die Kühlung. Rund fünf Prozent der Batterieleistung fallen derzeit beim Laden und Entladen als Wärme an, bei Premiumfahrzeugen kann das 5 kW ausmachen. Der oberösterreichische Zulieferer Miba stellt einen neu entwickelten flexiblen Wärmetauscher vor. Dieser ist für verschiedenste Zellgeometrien einsetzbar. Seine Vorteile: Er braucht weniger Platz. Damit lassen sich in einer Batterie mehr Zellen unterbringen, was die Reichweite erhöht. Zudem spart er bis zu 10 kg Gewicht und er ist obendrein deutlich leichter zu reparieren oder am Lebensende zu entsorgen als aktuelle Kühlsysteme.

www.wiener-motorensymposium.at

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