Die Brüder Sören und Jonas Gerhardt haben 2015 Muli-Cycles gegründet und stellen nun ein Lastenrad her. Das Startkapital haben sie per Crowdfunding eingesammelt, jetzt werden sie von ihrem eigenen Erfolg überrannt. Der Erfolgsfaktor ist die Größe. Oder vielmehr, dass das Rad so klein und kompakt ist. Im Gegensatz zu seinen Konkurrenten lässt sich das Muli mit in die U-Bahn nehmen, passt in jeden Fahrradkeller oder Wohnungsflur, sogar mit dem Auto kann man es problemlos transportieren. Der Spiegel feiert Muli-Cycles als „echte Entdeckung“.
Sören, mit Eurem kompakten Lastenrad werdet Ihr von den Medien und in der Branche gefeiert. Hattet Ihr mit so großem Erfolg gerechnet?
Oh, wir sind von unserem Erfolg schon ein wenig überrascht worden. Die Nachfrage ist groß. Das ist toll für uns, aber gar nicht so leicht. Wir müssen ja die Räder vorfinanzieren und produzieren. Das müssen wir erst mal stemmen. Aber wir wollen organisch und langsam wachsen. Das halten wir für gesünder. Wir wollen flexibel bleiben und die Produktion überschaubar halten.
Wie kamt Ihr darauf, ausgerechnet Fahrräder zu bauen und ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Das hat sich so ergeben. Mein Bruder Jonas ist Industriemechaniker, ich bin Designer. Irgendwann kamen wir darauf, dass wir doch auch unser eigenes Unternehmen gründen könnten. Und warum nicht zusammen? Der Trend Cargobike zeichnet sich ja schon länger ab, und wir hatten einfach Lust drauf. Nachdem wir 2015 damit begonnen haben, unseren Muli zu entwickeln, fehlte uns erstmal Geld. Daher haben wir auf Startnext eine Crowdfunding-Kampagne gestartet und diese im April 2017 sehr erfolgreich zu Ende gebracht. Unser Fundingziel haben wir um mehr als das Doppelte übertroffen. Das hat uns schon mal gezeigt, dass wir auf dem richtigen Weg sind.
Wie kamt Ihr eigentlich auf den Namen?
Das war die Idee von der Freundin meines Bruders. Ein Muli ist ja ein Maulesel – also eine Mischung aus elegantem Pferd und leistungsstarkem Packesel. Das fanden wir ganz passend für unser Bike, das Eleganz und Geschwindigkeit mit großer Traglast verbindet und dabei sehr kompakt ist. Mit seinen 1,95 Meter ist es fast so kurz wie ein normales Fahrrad.
Habt Ihr ein Credo?
Wir haben keinen Wahlspruch, aber 100 Prozent fair, das ist uns wichtig. Mit dem Konzept, der Fertigung und dem gesamten Geschäftsmodell von Muli-Cycles haben wir uns dem Ideal der Nachhaltigkeit verpflichtet. Einfach in Asien fertigen wäre gegangen, aber das wollten wir nicht. So findet die Herstellung des Muli – vom Rahmen bis zur
Montage – komplett in Deutschland statt. Dadurch können wir faire Arbeitsbedingungen und hohe Umwelt-, Sozial- und Qualitätsstandards garantieren.
Muss den Preis der Verbraucher zahlen? Seid Ihr der Mercedes unter den Cargo- Bikes?
Nein, ganz und gar nicht. Eher ein Polo oder so (lacht). Von Anfang an war es uns wichtig, Muli zu einem fairen Preis anbieten zu können. Deshalb haben wir die Konstruktion unseres Rahmens für standardisierte Fertigungsverfahren optimiert, uns für einen Direktvertrieb über unsere Website und die Partnerschaft mit ausgewählten Händlern entschieden. So vermeiden wir Preissteigerungen durch zu viele Zwischenhändler und können den Preisvorteil direkt an unsere Kunden weitergeben. Übrigens sind das ganz ähnliche Werte, wie sie Pendix, unser Partner für E-Antriebe, vertritt. Mit elektrischem Antrieb kostet unser Bike 3.940 Euro. Das ist eine Stange Geld, aber im Vergleich durchaus vertretbar.
Wer ist Eure Zielgruppe und wer kauft die Räder tatsächlich? Habt Ihr schon Erfahrungswerte?
Unsere Zielgruppe sind alle, die etwas zu transportieren haben. Besonders Familien setzen auf Cargobikes, das ist ja auch praktisch. Für alle, die das Rad für weitere Strecken nutzen, bei denen es hügelig ist, oder für die, denen es schlicht zu anstrengend ist, schwere Lasten mit dem Rad zu transportieren, bieten wir den E-Muli. Ein Muli-Cycle mit E-Antrieb. Auf dem Land fahren die Leute leider noch immer mehr Auto, daher wenden wir uns zunächst an ein urbanes Publikum. Witzigerweise bestellen bei uns zumeist Männer. Warum das so ist, haben wir noch nicht rausgefunden.
Gibt es eine Region, in der die Nachfrage besonders stark ist?
Der Hauptmarkt ist ganz klar Berlin. Nicht nur, weil es eine große Stadt ist, sondern auch, weil die Leute hier experimentierfreudiger sind als anderswo. Und es fahren schon ziemlich viele Lastenräder rum, die sind hier einfach im Straßenbild präsent, das weckt Begehrlichkeiten. Zudem fördert der Senat seit Neuestem die Anschaffung von Lastenrädern. Dadurch dass unser Bike wiederum so kompakt ist und man es sogar mit in die U- und S-Bahn nehmen kann, haben wir einen gewissen Wettbewerbsvorteil.
Wie stark ist denn die Nachfrage für das nachgerüstete Cargobike, das E-Muli?
Die Nachfrage ist gut und wächst. Wer regelmäßig viel Last transportiert oder in einer hügeligen Region lebt, kommt um einen Antrieb nicht herum. Allerdings verkaufen wir immer noch mehr Mulis ohne Antrieb. Das ist sicherlich eine Preisfrage und außerdem ist das Rad ohne große Beladung so leicht, dass man in einer flachen Region auch ohne Antrieb gut zurechtkommen kann. Wenn sich die Anforderungen beim Kunden ändern, kann er sein Rad natürlich jederzeit vom Händler mit einem Pendix-Antrieb nachrüsten lassen.
Warum habt Ihr nicht gleich ein E-Bike konzipiert?
Wir wollten das Rad ja nicht neu erfinden. Durch die Möglichkeit, gleich den Antrieb von Pendix anzubauen, haben wir die Entwicklung sparen können. Unser Rad ist so schon cool
und mit Pendix noch einen Tick cooler. Plus: mit knapp 6 Kilo eine sehr leichte Lösung. Für uns ist das die perfekte Ergänzung. So können wir das Grundmodell einfach in zwei Varianten anbieten.
Hattet Ihr auch andere Nachrüstantriebe in Betracht gezogen?
Ja klar. Wir haben uns ausgiebig informiert. Aber der eDrive von Pendix passte im Vergleich am besten zum Muli. Sowohl von der Aufmachung her – super Design – als auch wegen seiner Geräuschlosigkeit. Zudem ist der Motor auf Herz und Nieren getestet worden und hat sich als extrem robust erwiesen. Alles Eigenschaften, die es anderswo so nicht gibt.
Auch die Philosophie von Pendix ähnelt unserer. Wir haben uns der Sorgfalt und wie gesagt „Made in Germany“ verschrieben. Ganz ähnlich sehen es Thomas Herzog, der Geschäftsführer von Pendix, und seine Crew. Das finden wir super. Es gibt einen intensiven Austausch. Wenn wir Fragen haben, bekommen wir schnelle, kompetente Antworten, das ist wirklich super. Bei anderen Herstellern ist man einfach eine Nummer, das mussten wir leider auch schon feststellen.
Was plant Ihr für die Zukunft?
Wir werden unser Produkt weiter optimieren, um es noch besser an die vielfältigen Alltagsanforderungen anzupassen. Und natürlich wollen wir weiter wachsen und unser Händlernetzwerk ausbauen. Aktuell sind wir drei Festangestellte, da ist sicherlich jede Menge noch Raum nach oben. Aber wir wollen es gemächlich angehen lassen, gesund wachsen, jeden Schritt genau überlegen. Und vor allem wünschen wir uns weiter einen regen Austausch mit unseren Kunden und Partnern.
Quelle: TEAM CODE ZERO