Podiumsdiskussion zum Thema Elektromobilität:

Ist das Netz für eine Elektromobilität 2030 bereit?

von Lisa Trummer

In der spannenden Podiumsdiskussion »Elektromobilität 2030 – ist das Stromnetz bereit?« im Zuge des Siemens-Infotages diskutierten Experten, ob und wie der Elektromobilität zum Durchbruch verholfen werden kann. Zu den Diskussionsteilnehmern zählten Dipl-Ing. Andreas Eigenbauer, Vorstand Energie Control Austria, Dr. Michael Viktor Fischer, Geschäftsführer Smatrics, Michael Schneider, Leiter Power Technologies International, Siemens, Michael Sponring, Leiter Power & Utilities PwC Österreich, und Dipl-Ing Dr. Franz Strempfl, Geschäftsführer der Energienetze Steiermark GmbH und Spartensprecher der Netze Österreich Energie. Geleitet wurde die Diskussion von Dipl-Ing. Alexander Peschl, Siemens.

Um mehr über die zentralen Aussagen zu erfahren, lesen Sie selbst…

Alexander Peschl: Was glauben die Analysten, wo die Elektromobilität im Jahr 2030 landen wird?

Michael Sponring, Leiter Power & Utilities PwC Österreich: Im Zuge unserer allgemeinen Energiestudie im letzten Jahr in Österreich wurden Unternehmen der Branche und Industrie befragt, welche von ihnen schon Elektrofahrzeuge im Einsatz haben. Ca. 50 % hatten diese Frage mit »ja« beantwortet. Zwischen 70 % und 90 % planen bis 2020, Fahrzeuge in ihren Fuhrpark aufzunehmen. Glaubt man auch einer Studie von deutschen Kollegen, so haben diese einen Algorithmus abgeleitet, wie sich in Deutschland die E-Mobilitätsanzahl entwickeln wird. Legen wir das auf Österreich um, so würde das ungefähr folgendermaßen für die nächsten Jahre ausschauen: Wie wir wissen, haben wir laut Statistik Austria dieses Jahr im März die 10.000er-Grenze mit den E-Mobilen überschritten. Für 2020 würde das laut dieser Statistik 48.000 Stück bedeuten und 2025 lägen wir bei rund 390.000 Stück. Wenn man die Plug-in-Hybride dazuzählt, dann kämen wir im Jahr 2020 auf 76.000 und im Jahr 2025 auf 554.000 Stück.

Anmerkung zum aktuellen Stand: Von Jänner bis November 2017 wurden laut Statistik Austria sogar 4.955 reine E-PKW neu zugelassen. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es nur 3.604 Neuzulassungen, was einen Anstieg von 37,5 % bedeutet. Des weiteren wurden 1.495 Plug-in-Hybride von Jänner bis November 2017 neu zugelassen – der Anstieg im Vergleich zum gleichen Vorjahreszeitraum beträgt hier sogar 51,5 %.

Peschl: Wie ist die Sicht des Regulators in Bezug auf Elektromobilität?

Dipl-Ing. Andreas Eigenbauer, Vorstand Energie Control Austria: Wir haben das neue Tarifsystem 2.0 vorgestellt. Eine der großen Änderungen, die auf Österreich zukommen werden, ist die Einführung des Leistungspreises für die ganze Haushaltskundenebene. Diese Kombination aus Arbeitspreis und Leistungspreis gibt es heute ja bereits für jeden Endkunden mit Ausnahme des Haushaltskunden. Das ist die einzige Kundengruppe, die keine Leistungspreiskomponente hat. Der bisherige klassische Jahreszähler war nicht in der Lage, diese Leistungskomponente abzubilden und abzurechnen. So wurde das Preissystem an das angepasst, was für alle anderen sowieso schon lange gilt, nämlich zum einen, dafür zu bezahlen, wie stark man das Netz benützt (im Sinne von Infrastruktur), und auf der anderen Seite, dafür zu bezahlen, wie viel Menge bezogen wird. Das soll mit dem Tarifsystem 2.0 durchgesetzt werden. Es soll zu keinem unkontrollierten Ausbau mit Schnellladestationen kommen, die die Elektromobilität sehr schnell beenden würde. Das Ziel sollte sein, dass mit bestehenden Infrastruktur-Anlagen so lange wie möglich das netzdienliche Laden zugelassen wird und auch möglich gemacht wird.

Peschl: Herr Fischer, haben wir eigentlich jetzt schon genügend Infrastruktur oder ist es überhaupt so ohne weiteres möglich, genügend Infrastruktur aufzustellen? Wenn ja, wird diese dann auch angenommen?

Dr. Michael Viktor Fischer, Geschäftsführer Smatrics: Die Versorgung für den aktuellen Stand – wir haben in etwa 15.000 Fahrzeuge mit Stecker in Österreich – ist sehr gut. Nicht auch zuletzt durch Smatrics gibt es in Österreich im worst case im Umkreis von 60 km mindestens eine schnelle DC-Ladestation. Man kann sich in Österreich also frei bewegen. Die Elektromobilität ist in Österreich aber eine kleine Pflanze, die sich weiterentwickeln muss. Zur Prognose: Um nach ­Norwegen zu schauen: Dort dauerte es 8 Monate, um von 2 % auf 20 % aller rein elektrischen Neuzulassungen zu kommen. Im Juni 2013 waren 2,3 % aller Neuzulassungen rein elektrisch, im März 2014 20,5 %. Wir werden sehen, dass es keine lineare Entwicklung sein wird, sondern in starken Sprüngen geschehen wird. Ungefähr jedes dritte Auto in Norwegen, das zugelassen wird, hat einen Stecker. Mit der Steigerung der Reichweite und mit dem schnelleren Laden wird es in Norwegen wieder den nächsten Sprung geben, genauso wie auch hier.

Zur Netzbereitstellung: Wir haben alleine für unsere Ladestationen bis jetzt 2 Mio. Euro für die Netzbereitstellung ausgegeben. Wir hätten dafür schon viele tolle Ladestationen bauen können. Daher sehe ich das schon als extreme Belastung. So wird das Thema Elektromobilität nicht gefördert. Es muss ein riesiges Anliegen der ganzen Energiebranche sein, dass sich die Elektromobilität möglichst schnell durchsetzt.

Peschl: Sie glauben also, dass die Erleichterungen, die auf der regulatorischen Seite angedacht und andiskutiert werden, momentan der falsche Schritt sind?

Fischer: Haushalte mit Elektrofahrzeugen werden überproportional belastet. Das ist natürlich durch die Spitzen, die es am Anfang auch gibt, gegeben (wobei wir aber eine vernachlässigbare Anzahl an Elektrofahrzeugen haben). Haushalte werden stärker zur Kasse gebeten und das ist in einer frühen Phase nicht notwendig. Ich sehe das anders, wenn wir 100.000e oder Millionen Fahrzeuge haben, dann sind wir aber auch schon bei der Speicherung weiter. Spitzen, die durch das eine Elektroauto entstehen, werden durch das andere Elektroauto vielleicht ausgeglichen, aus dem man sich den Strom raus holt. Da wird noch wahnsinnig viel passieren und ich glaube, erst dann sollte man die Elektromobilität beurteilen. Jetzt ist es eher ein Angriff auf diese.

Eigenbauer: Es kann in Richtung eines disruptiven Vorganges gehen (Modellbeispiel der Photovoltaik), weil es dazu kommt, dass die Dinge sehr schnell in die Anwendung kommen. Genau das ist das Argument, warum man diese Änderungen zu einem Zeitpunkt machen muss, wo dieser Effekt noch nicht da ist. Es nützt nicht sehr viel, wenn ich den Entwicklungen hinterherlaufe und Gesetze und Verrechnungssysteme ständig korrigiert werden, wenn es 100.000 oder 200.000 Betroffene gibt. Wie soll man die dann umstellen?

Fischer: Es ist immer sehr schwierig, neue Systeme einzuführen, das stimmt. Jetzt geht es aber darum, ein System über die kritische Schwelle zu bekommen. Elektromobilität ist far away, wir sind eher in dieser Phase von 1990, als die Handys 15 Kilo wogen. Hätten wir damals gesagt, das ist nur für Superreiche, das drehen wir ab, würden wir heute nicht alle mit Mobiltelefonen herumlaufen. Fakt ist aber, dass jeder heute ein Handy hat und es nicht nur für die Superreichen ist. Wenn man es damals hoch besteuert hätte usw. würde es heute vielleicht nur noch 5 Kilogramm wiegen und nur noch 3.000 Euro kosten. Mir geht es darum, hier jetzt eine Anschubfinanzierung zu machen und nicht eine Besteuerung.

Peschl: Herr Strempfl, ist aus Sicht der Netze die E-Mobilität der Angstgegner, der vor der Tür steht? Oder ist sie die Cash-Cow, weil ich viel investieren muss, das ich hoffentlich rückerstattet bekomme?

Dipl-Ing Dr. Franz Strempfl, Geschäftsführer der Energienetze Steiermark GmbH und Spartensprecher der Netze Österreich Energie: Sie haben sehr schön ausgeführt, was auf uns zukommt und haben auch ein gutes Beispiel gebracht, nämlich den Ausbau der PV. Tatsächlich war es so, Mitte der 2000er-Jahre, 2005, haben wir wahrscheinlich noch jede PV-Anlage persönlich gekannt, die an unser Netz angeschlossen war. Das wäre jetzt nicht mehr möglich, allein in unserem Netz sind 15.000 Anlagen, in Österreich werden es 100.000e sein. Das sind noch viel weniger als in Deutschland. Dort gibt es ein ganz anderes Förderregime. Die Netzbetreiber/die Technologieanbieter haben es geschafft, diese dezentrale Einspeisung auch tatsächlich im Netz unterzubringen. Ich kann sagen, dass es in unserem Netz keine PV-Anlage gibt, die wir nicht angeschlossen hätten. Ich bin auch sehr zuverlässig, dass wir den Ausbau der Strom-Infrastruktur für die Ladestationen sehr wohl schaffen werden. Wichtig dabei ist natürlich, dass entsprechende Anreize geschaffen werden, dass diese Investitionen auch stattfinden. Und auf der anderen Seite, dass diese Kosten auch im Ausmaß der Inanspruchnahme an die einzelnen User abgegeben und verrechnet werden. Das ist auch der Grund, warum es diese Netztarifstrukturen 2.0 gibt. Nicht zuletzt geht es darum, die Kosten gerecht weiterzuverrechnen. Ich glaube auch nicht, dass wir nur wegen der E-Mobilität sehr viele Kraftwerke ausbauen müssen. Wir müssen insgesamt davon ausgehen, dass der Energieverbrauch – der Gesamtenergieverbrauch – sinken muss, wollen wir das Paris-Ziel (2-Grad-Ziel) tatsächlich erreichen. Der Gesamtenergieverbrauch muss also sinken, im verbliebenen Energieverbrauch wird aber der Stromanteil deutlich zunehmen. Das heißt natürlich, dass wir die Infrastruktur ausbauen müssen, das trifft nicht nur die E-Mobilität, sondern auch den Faktor Wärme. Wir haben bereits in Österreich Netze, wo das Thema Wärmepumpe ein entscheidender Faktor ist. Es kommt kaum mehr ein neues Haus ans Netz für die Stromversorgung, das nicht, zumindest wenn es in einem simultanen Bereich ist, mit einer Wärmepumpe ausgestattet ist. Da ist die E-Mobilität nur ein zusätzlicher Faktor, der mit zu berücksichtigen ist. In weiterer Folge gilt es dann, dafür zu sorgen, dass in das ganze ­System effizient investiert wird. Das werden wir machen. Wir wünschen uns dafür nur entscheidende Anreize, dass wir diese Investitionen auch durchführen können.

Peschl: Also sind wir wieder beim Thema Regulator gelandet. Gibt es nicht doch andere Aspekte, die einiges beitragen können, Herr Schneider?

Michael Schneider, Leiter Power Technologies International, Siemens: Ich denke, das Speichern von Strom wird einen wichtigen Baustein leisten. Wir müssen es aber schaffen, intelligente Systeme und Schnittstellen zu entwickeln, wodurch ein bidirektionales Laden ermöglicht wird und alles mit hoher Automatisierung und hoher Zuverlässigkeit läuft. An einer Stelle zögere ich aber ein bisschen – wir werden das Thema Winter haben – die berühmte Winterflaute, wo es wenig Wind und Sonne gibt. Auch in diesen Zeiten, gerade im Winter, braucht ein Elektroauto vielleicht sogar ein bisschen mehr Strom (z. B. mit den Heizungen an Bord). Das gesamte Energiesystem wird auf eine Leistungs- und Lieferfähigkeit ausgelegt werden müssen. Da wird es auch neue Konzepte geben. Ich habe aber leichte Zweifel, dass das Speichern von Strom die Lösung aller Probleme ist.

Strempfl: Wir brauchen eine Strategie, was den Rollout der Ladeinfrastruktur betrifft. Wir müssen uns überlegen, welche Ladeinfrastruktur brauche ich wo? Ist es wirklich erforderlich, dass in jedem Haushalt bzw. jedem Einfamilienhaus ein Schnelllader installiert wird? Wie muss die Ladeinfrastruktur in einem Mehrparteienhaus aussehen? Sie muss wahrscheinlich schon mit Intelligenz ausgestattet sein, sodass ich Ladespitzen vermeiden kann und Lasten verschieben kann. Wenn wir eine derartige Strategie entwickeln und uns mit diesen Fragen auseinandersetzen, dann wird man feststellen, dass der Mehr-Investitionsbedarf, der mit Sicherheit für die Elektromobilität gegeben ist, sehr wohl beherrschbar sein wird. So wird es auch gelingen, eine Infrastruktur zu schaffen, die den Kunden verrechenbar ist, die leistbar ist und jedem die Möglichkeit gibt, ein E-Auto zu kaufen.

Peschl: Herr Fischer, fühlen Sie sich für die Zukunft gerüstet?

Fischer: Ich denke, dass wir uns alle einig sind, dass das Thema Speicherkapazität und Speicher, vor allem wirtschaftlich betreibbare Speicher, ein Mehrwert für die Energiewirtschaft sind. Das Problem, das wir haben, ist dass die Speicher wie sie heute sind, zwar deutlich billiger sind als vor vier oder fünf Jahren, aber noch nicht billig genug.

Peschl: Was ist Ihrer Meinung nach der wichtigste Hebel, an dem wir arbeiten müssen, um dem Thema Elektromobilität zum Durchbruch zu verhelfen?

Eigenbauer: Wir haben unseren Teil getan (lacht). Das einfachste, das man machen kann, ist, den Menschen zu ­erklären, dass, wenn sie in die Elektromobilität einsteigen, sie keine großen Sorgen und keine großen Probleme haben werden. Man setzt falsche Anreize und falsche Erwartungen, wenn man vorgaukelt, man wird sein Elektroauto überall in wenigen Minuten laden können und dann weiterfahren können. Was da präsentiert wird, wird sich kaum auf der Industrieseite umsetzen lassen. Das braucht man auch gar nicht.

Strempfl: Wir sind Infrastruktur-Bereitsteller und was der Kunde anfordert und was die Wirtschaft braucht, werden wir liefern. Das haben wir in der Vergangenheit schon mehrfach bewiesen. Es wird nicht die Gretchenfrage sein, ob sich die E-Mobilität durchsetzt. Die tatsächliche Frage lautet: Gibt es attraktive Autos? Gibt es Speicher, denen ich vertrauen kann, dass sie auch 10 oder 20 Jahre halten und nicht nach fünf Jahren kaputt werden?

Sponring: Zurück zum Thema Auswirkungen auf die Netzbetreiber und Netze überhaupt: Ich denke, die österreichischen Netzbetreiber sind so weit gut gerüstet, weil sie ohnehin die Stromwende 2.0 vorantreiben. Ich glaube, es ist nicht das Thema des Netzbetreibers, es sind andere Faktoren, um die Elektromobilität auf die Straße zu bringen. Es ist nicht nur das alternative Auto des E-Mobils, sondern auch die Brennstoffzelle mit Wasserstoff, auf die groß gesetzt werden muss. Auch die Brennstoffzellen werden ihren Beitrag zur Mobilitätswende leisten.

Schneider: Am Ende wird es ein marktgetriebenes Thema sein. Die großen Automobilfirmen wie BMW oder VW und auch Bosch als Zulieferer sagen, sie werden noch eine Generation an Verbrennungsmotoren entwickeln und dann ist Schluss. Das Ende ist in Sicht und im Jahr 2030 wird der Verbrenner nur noch ein Nischenthema sein. Dann bin ich auch der Meinung, dass das Netz die Integration leisten können wird. Bis dahin haben wir auch die Modelle und Regularien zu klären, damit das System möglichst ökonomisch und volkswirtschaftlich sinnvoll funktioniert.

Fischer: Die Reichweite der Fahrzeuge und dass es viele Fahrzeuge unterschiedlicher Art gibt, damit der Kunde bedient wird, sind auch wichtige Faktoren. Ich glaube wir werden in fünf Jahren Fahrzeuge sehen, die echte 1.000 km Reichweite haben werden (auch im Winter mit Heizung) und die fast so schnell laden wie Diesel und Benzin. Wasserstoff wird eher für Schwertransporte von wichtiger Bedeutung sein.

Anmerkung der Redaktion: Aus den Argumenten der Experten geht klar hervor, dass die ganze Branche für den Durchbruch der Elektromobilität steht und es nur noch beim »Wie« kleine Diskrepanzen gibt.

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