TU Wien prognostiziert für 2030 einen Bedarf von rund 850.000

Investitionen in Milliardenhöhe für Ladeinfrastruktur

von David Lodahl

Die Elektromobilität nimmt zunehmend Fahrt auf, das lässt sich aus der Fülle an Fachvorträgen zu diesem Thema beim diesjährigen Internationalen Wiener Motorensymposium schließen. So präsentierten Donnerstag Vormittag etwa Volkswagen und Mercedes ihre ambitionierten Strategien für die Erweiterung ihrer Elektroflotten. Welche Herausforderungen mit dem Ausbau der dafür notwendigen Ladeinfrastruktur verbunden sind, darüber gibt nun eine brandneue Studie der Technischen Universität Wien Aufschluss: Sie sind erheblich.

Bis 2030 werden insgesamt für ganz Österreich 857.000 Ladestellen benötigt, davon allein 154.000 in Wien – die Errichtungskosten dafür werden, grob abgeschätzt, mehr als sechs Milliarden Euro betragen, davon entfallen gut zwei Milliarden auf Wien. Gemessen am bestehenden Tankstellennetz sind diese Zahlen enorm. In Österreich gab es per Jahresende 2018 exakt 2.699 herkömmliche Tankstellen für Benzin und Dieselöl.

Die beim Motorensymposium präsentierte Studie geht davon aus, dass bis 2030 der Anteil von vollelektrischen bzw. batterieelektrischen Fahrzeugen (BEV) am Pkw-Bestand elf Prozent und bei Leichten Nutzfahrzeugen (LNF) 6,5 Prozent erreichen wird. In absoluten Zahlen entspricht dies 590.000 vollelektrischen Pkw und 33.000 LNF (bei einem Gesamtbestand von mehr als fünf Millionen Fahrzeugen). Wie Studienautor Dr. Werner Tober vom Institut für Fahrzeugantriebe und Automobiltechnik der TU Wien in seinem Vortrag betonte, müsse für die reinen Stromer auch die Möglichkeit geschaffen werden, vielerorts möglichst schnell und unkompliziert – vielfach auch gleichzeitig – Strom tanken zu können.

Ausgehend von der Bestandsentwicklung und dem detaillierten Mobilitätsverhalten der österreichischen Pkw-Nutzer, werden der Leistungsgang (Leistungsverlauf über die Zeit) sowie die Gleichzeitigkeit der Ladenutzung berechnet. Dabei wird unter anderem der Verbrauch berücksichtigt, zusätzlich wird nach Ort (Bundesland/Stadt), Jahreszeit, Wochentag, Erwerbsstatus des Fahrers, Zweck der Fahrt sowie Fahrtziel differenziert. Sogar die Umgebungstemperatur spielt eine Rolle, steigt doch der Energiebedarf eines durchschnittlichen Elektroautos bei frostigen minus 20 Grad im Vergleich zu wohligen 20 Grad plus um etwa 100 Prozent auf das Zweifache, verursacht durch den Heizbedarf. Der daraus resultierende Leistungsgang und die Anzahl der gleichzeitig stattfindenden Ladevorgänge liefern die benötigte Leistung, Energie und Anzahl der Ladestellen. Aus den vielen erhobenen Daten lässt sich berechnen, dass der stärkste Andrang an Stromtankstellen jeweils Freitagabend zu erwarten ist, den Spitzenwert verorten die Studienautoren (Werner Tober, Thomas Bruckmüller und Dominik Fasthuber) in der Kalenderwoche 3.

Für Netzbetreiber bzw. Energieversorger sind die Gleichzeitigkeit der Ladestellennutzung und der Leistungsgang von großer Bedeutung, da die Stabilität des Netzes jederzeit (auch bei Spitzenlasten) gewährleistet sein muss. Der Leistungsgang ist daher eine wesentliche Größe, um die Auswirkungen des Ausbaus der Ladeinfrastruktur abschätzen zu können, so Dr. Tober.

Die gute Nachricht dabei: Im Vergleich zum Gesamtbedarf an elektrischer Energie ergibt sich bis 2030 nur eine geringe Zunahme der benötigten Energie und Leistung durch E-Mobilität. Der zusätzliche Energiebedarf wird 2,2 Terawattstunden betragen, das sind 3,2 Prozent des derzeitigen Bedarfs. Für typische lokale Verteilernetze sind bis 2030 keine Probleme durch das Laden batterieelektrischer Fahrzeuge zu erwarten, heißt es in der Studie.

Von den bis 2030 insgesamt erforderlichen 857.000 Ladestellen wird nur ein Teil privat (in Eigengaragen oder eigenen Stellplätzen) errichtet werden können. 39 Prozent der Ladestellen in Österreich werden aus heutiger Sicht im öffentlichen Raum (am Straßenrand, auf Parkstreifen) benötigt, in Wien sogar 67 Prozent, was auf die geringe Anzahl an Fahrzeughaltern mit eigenen Stellplätzen im großstädtischen Bereich zurückzuführen ist. Der gesamte Investitionsbedarf beträgt geschätzte 6,1 Mrd. Euro, das entspricht durchschnittlichen Kosten von 9.800 Euro pro zugelassenem Elektrofahrzeug. Da Ladestellen am Straßenrand in der Regel nicht durch den Fahrzeugnutzer selbst errichtet werden können, lässt sich daraus schließen, dass der überwiegende Teil der Kosten für den Ausbau der Ladeinfrastruktur durch öffentliche Stellen oder Ladestellenbetreiber getragen werden muss, folgert die Studie.

Und was ist zu erwarten, sollte einmal der gesamte Pkw-Bestand auf vollelektrische Fahrzeuge umgestellt sein? Auch auf diese Frage liefert die Studie eine Antwort, die Prognose ist ernüchternd: Bei 100 Prozent BEV-Bestand werden 7,2 Millionen Ladestellen in Österreich benötigt, davon 1,2 Mio. in Wien. Daraus ergeben sich Errichtungskosten in der Höhe von 51 Mrd. €, zusätzlich weitere Kosten für notwendige Netzerweiterungsmaßnahmen.

Quelle: APA

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